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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0034
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Martin Hengel

mit nacktem Oberkörper auf einen Speer gestützt, in der Mitte steht
eine ganz ähnliche mannsgroße Waage, deren linke Schale sich in
die Tiefe neigt - der Leichnam Hektors ist wegen Beschädigung
dort nur noch andeutungsweise sichtbar, rechts steht Priamos als
Bittsteller. Auch der stilisierte schwungvoll flatternde Mantel, der
für die Kampfszenen der Kanne bezeichnend ist, begegnet auf der
koptischen Bronzeplatte bei der Schleifung Hektors. Gegenüber
der Messingkanne ist die Darstellung allerdings noch primitiver
und volkstümlicher.
In der Ilias sitzt Achilleus beim Eintreten des Priamos am Tisch
und hat eben die Mahlzeit beendet (II. 24, 475 ff.). Die frühen
Vasendarstellungen lassen ihn darum der Sitte der Zeit entspre-
chend auf einer Kline liegen, wobei der Leichnam Hektors in
makabrer Weise sich häufig unter der Kline befindet, den Tisch hat
der Pelide neben sich35. Unter dem Einfluß der <X>pÜYE<; des Aischy-
los sitzt der Held später auf einem Stuhl, während Priamos sich vor
ihm - wie in der Ilias - auf die Knie wirft. Der Tisch ist dagegen ganz
verschwunden. Diese Darstellung blieb von jetzt an beherrschend,
nur daß in römischer Zeit Achilleus gerne thronend, die Füße auf
einem Fußschemel, mit bloßem Oberkörper, den Mantel auf den
Knien und die rechte Hand „wie Zeus oder ein römischer Impera-
tor“36 auf den Speer gestützt, dargestellt wird. Auch die Anordnung,
daß Achilleus links thront, währendPriamos in demütiger Haltungvon
rechts herantritt, ist typisch und geht auf Darstellungen der frühen
klassischen Zeit zurück. Der Spätzeit entspricht auch die „orien-
talische“ Kleidung des trojanischen Königs: weiter Mantel und
Kopfbedeckung (?), jedoch trägt er - so wenig wie die ihn begleiten-
den Frauen - nicht die in den römischen Darstellungen übliche
phrygische Mütze, sondern eine Kappe oder ein Stirnband als Aus-
druck seiner königlichen Würde. Ein Priamos mit unbedecktem
Haupt wäre eine ganz seltene Ausnahme. Die nächste Parallele zu
35 S. dazu K. Schefold (Anm. 5), 235-238, Abb. 316-318.
36 Strzygowski, op. cit. 259. VgL jetzt auch J. Garbsch. Ein spätantiker Achilles-
Zyklus, Bayerische Vorgeschichtsblätter 45 (1980) 155-160, und: Spätantike
Sigillata Tabletts, op. cit. 162. 167. 195ff. = LIMC I s. v. Achilleus Nr. 716.
Die Silberschale aus Paris (475. Jh.) mit der Wegführung der Briseis: Kossatz-
Deißmann, LIMC II s. v. Briseis Nr. 7, u. G. Hafner, Geschichte der griechischen
Kunst, 1961, 2323 Abb. 334. S. auch u. S. 45f. Zu den hellenistischen Vorbildern
dieser Art von Herrscherdarstellungen s. den Apelles zugeschriebenen Alexan-
der Keraunophoros im Hause der Vettier in Pompei, in I. Charbonneaux u. a.
Das hellenistische Griechenland, Universum der Kunst, 1971, 114 Abb. 114.
 
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