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Joachim Bohnert
„I. Jede Zufügung einer Strafe setzt ein Strafgesetz voraus (Nulla
poena sine lege). Denn lediglich die Androhung des Übels durch
Gesetz begründet den Begriff und die rechtliche Möglichkeit
einer Strafe.
II. Die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der
bedrohten Handlung (Nulla poena sine crimine). Denn durch
das Gesetz ist die gedrohte Strafe an die Tat als rechtlich not-
wendige Voraussetzung geknüpft.
III. Die gesetzlich bedrohte Tat (die gesetzliche Voraussetzung) ist
bedingt durch die gesetzliche Strafe (Nullum crimen sine poena
legali). Denn durch das Gesetz wird an die bestimmte Rechts-
verletzung das Übel als eine notwendige rechtliche Folge ge-
knüpft.“
Feuerbach war nicht der erste, der die Forderung nach der Gesetzes-
bestimmtheit im Strafrecht erhob5. Er war auch nicht der erste, der
ihr ein unumstößliches philosophisches Fundament zu geben suchte,
um sich mit dem Ewigen gegen die zeitliche Macht zu verbünden.
Anschluß an die grundlegenden Hauptwerke Feuerbachs zur Strafrechtstheorie,
insbesondere seiner „Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven
peinlichen Rechts“, 1. Teil 1799, 2. Teil 1800; Neudr. beider Teile: Aalen 1966.
Dort (Revision I S. 147/148) finden sich drei Sätze von vergleichbarer systemati-
scher Stellung, die als Vorläufer der drei Grundsätze des Lehrbuchs angesehen
werden können:
1. „Das Strafgesetz ist gültig für alle in demselben enthaltenen Fälle; wo also
die Merkmale der Bedingung, an welche die Strafe geknüpft ist, in concreto
vorhanden sind, da muß auch die rechtliche Folge damit verknüpft werden.
2. Das Strafgesetz ist gültig durch sich selbst für alle Fälle. Seine Gültigkeit und
Anwendbarkeit hängt nicht von der Übereinstimmung desselben mit anderen
außer ihm gelegenen Principien ab. Daraus folgt denn
3. Das Strafgesetz braucht, um für die besonderen Fälle gültig zu seyn, nicht
erst unter höhere Principien subsumirt zu werden; sondern man darf nur unter
das Strafgesetz subsumiren. Das bestimmte Strafgesetz ist also allein die Regel
für das Urtheil und nichts ist Regel für die Gültigkeit und Anwendbarkeit
dieses Strafgesetzes selbst.“
5 Sax in: Die Grundrechte, 1959, Band III 2, S. 992 mit FN 250,251; Wolf, Große
Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4. Aufl. 1963, S. 553; Kleinheyer,
Vom Wesen der Strafgesetze in der neueren Rechtsentwicklung, 1968, S. 3ff. mit
dem wichtigen Hinweis (S. 5), daß sich die Carolina nicht an den rechtsgelehrten
Richter wandte. Feuerbach verstand zwar die Wirkung des Strafgesetzes auch als
auf alle Rechtsunterworfenen gerichtet, der Richter subsumierte nur, aber die
ältere Absicht der Volkstümlichkeit war nicht die seine. Zur Vorgeschichte des
Joachim Bohnert
„I. Jede Zufügung einer Strafe setzt ein Strafgesetz voraus (Nulla
poena sine lege). Denn lediglich die Androhung des Übels durch
Gesetz begründet den Begriff und die rechtliche Möglichkeit
einer Strafe.
II. Die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der
bedrohten Handlung (Nulla poena sine crimine). Denn durch
das Gesetz ist die gedrohte Strafe an die Tat als rechtlich not-
wendige Voraussetzung geknüpft.
III. Die gesetzlich bedrohte Tat (die gesetzliche Voraussetzung) ist
bedingt durch die gesetzliche Strafe (Nullum crimen sine poena
legali). Denn durch das Gesetz wird an die bestimmte Rechts-
verletzung das Übel als eine notwendige rechtliche Folge ge-
knüpft.“
Feuerbach war nicht der erste, der die Forderung nach der Gesetzes-
bestimmtheit im Strafrecht erhob5. Er war auch nicht der erste, der
ihr ein unumstößliches philosophisches Fundament zu geben suchte,
um sich mit dem Ewigen gegen die zeitliche Macht zu verbünden.
Anschluß an die grundlegenden Hauptwerke Feuerbachs zur Strafrechtstheorie,
insbesondere seiner „Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven
peinlichen Rechts“, 1. Teil 1799, 2. Teil 1800; Neudr. beider Teile: Aalen 1966.
Dort (Revision I S. 147/148) finden sich drei Sätze von vergleichbarer systemati-
scher Stellung, die als Vorläufer der drei Grundsätze des Lehrbuchs angesehen
werden können:
1. „Das Strafgesetz ist gültig für alle in demselben enthaltenen Fälle; wo also
die Merkmale der Bedingung, an welche die Strafe geknüpft ist, in concreto
vorhanden sind, da muß auch die rechtliche Folge damit verknüpft werden.
2. Das Strafgesetz ist gültig durch sich selbst für alle Fälle. Seine Gültigkeit und
Anwendbarkeit hängt nicht von der Übereinstimmung desselben mit anderen
außer ihm gelegenen Principien ab. Daraus folgt denn
3. Das Strafgesetz braucht, um für die besonderen Fälle gültig zu seyn, nicht
erst unter höhere Principien subsumirt zu werden; sondern man darf nur unter
das Strafgesetz subsumiren. Das bestimmte Strafgesetz ist also allein die Regel
für das Urtheil und nichts ist Regel für die Gültigkeit und Anwendbarkeit
dieses Strafgesetzes selbst.“
5 Sax in: Die Grundrechte, 1959, Band III 2, S. 992 mit FN 250,251; Wolf, Große
Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4. Aufl. 1963, S. 553; Kleinheyer,
Vom Wesen der Strafgesetze in der neueren Rechtsentwicklung, 1968, S. 3ff. mit
dem wichtigen Hinweis (S. 5), daß sich die Carolina nicht an den rechtsgelehrten
Richter wandte. Feuerbach verstand zwar die Wirkung des Strafgesetzes auch als
auf alle Rechtsunterworfenen gerichtet, der Richter subsumierte nur, aber die
ältere Absicht der Volkstümlichkeit war nicht die seine. Zur Vorgeschichte des