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Bohnert, Joachim; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 2. Abhandlung): Paul Johann Anselm Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47805#0010
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Joachim Bohnert

sen. Indessen: Weder das positive gemeine Reichsrecht10, die Consti-
tutio Criminalis Carolina von 1532, noch die reichsrechtlichen Einzel-
ergänzungen, noch die partikularen Strafgesetze11, am allerwenigsten
der Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751, eine Schöpfung Alois
von Kreittmayrs12, entsprachen auch nur annähernd dem, was der
Theoretiker des positiven Rechts als ihr Wesen bestimmt hatte13.
Feuerbach war vor 1813 ein Gesetzespositivist ohne Gesetz14. Erst
die Einsichtigkeit und die Macht des Königs Max Joseph von Bayern
hatten „Philosophie und Empirie in ihrem Verhältnis zur positiven
Rechtswissenschaft“ wirklich miteinander versöhnt, während Feuer-
bach im Titel seiner Landshuter Antrittsrede von 180415 diese Ver-
söhnung als schon geschehen und vollzogen bloß behauptet hatte.

10 Feuerbach, Lehrbuch (o. Anm. 4) S. 3 (§ 5); grundlegend dem Inhalt nach
dargestellt von Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer
Entwicklung durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, 1930.
11 Zur Vorgeschichte: Eb. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 3. Aufl. 1965, S. 141f.; Feuerbach, Geist des Strafgesetzbuchs
von 1813, Biographischer Nachlaß (o. Anm. 6) I S. 212f. Zur Strafrechtstheorie
der Zeit neben den Feuerbach-Darstellungen auch Loening, ZStW 3 (1883)
S. 280-292.
12 Feuerbach, Über die bevorstehende Reform der bayerischen Criminalgesetz-
gebung, Biographischer Nachlaß (o. Anm. 6) I S. 130: „Die eigentlichen Straf-
gesetze dieses Codex sind fast durchaus in Draco’s Geist gedacht und geschrie-
ben mit Blut.“ Ähnlich Revision I S. 162 f. Eine vergleichende Darstellung bringt
Grünhut, Anselm v. Feuerbach und das Problem der strafrechtlichen Zurech-
nung, 1922, S. 1 Uff.
13 Dazu schon kritisch: Thibaut, Beiträge zur Kritik der Feuerbachischen Theorie,
1802, S. 38,67.
14 Loening, ZStW 3 (1883) S. 302: „... die nach seiner Theorie zu erlassenden
Gesetze“. Zum „Gesetzespositivismus“ Feuerbachs: Wolf, GRD (o. Anm. 5),
S. 567; Lüderssen (o. Anm. 8), Einleitung S. 20f.; Eb. Schmidt, Einführung
(o. Anm. 11), S. 236/237. Der Begriff des Positivismus ist hier freilich mit Vor-
sicht zu gebrauchen und im Kontext mit der gesamten Theorie Feuerbachs auf-
zufassen. Als Terminus und eigentliche Theorie gewinnt er seine Bedeutung erst
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vgl. hierzu Schröder, Wissenschafts-
theorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten
an der Wende zum 19. Jahrhundert, 1979, S. 165; Bohnert, Über die Rechts-
lehre Georg Friedrich Puchtas, 1975, S. 168.
15 Vgl. o. Anm. 8, S. 61-100, hg. zusammen mit der Schrift Mittermaiers, Über
die Grundfehler der Behandlung des Kriminalrechts in Lehr- und Strafgesetz-
büchern, 1819, S. 103-152.
 
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