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Joachim Bohnert
der Widerspruch dieses absolutistischen Republikaners76, daß die
Autonomie jenes Moment zurückdrängen mußte, was sie doch ver-
bürgte: die Selbstgewißheit des rechten Handelns.
Die Freien wurden als Begründer des Staats gedacht, damit dieser
seine vernünftige und vernunftgemäße Grundlage habe. Weil der
Staat das Werk der Vernunft ist, hat er das Recht, selbst autonom
Strafrecht zu setzen77. Das positive Recht muß sein. Die Wirkung
der Gesetze aber liegt im Feld der Natur und damit der Notwen-
digkeit78. Die „intelligiblen Menschen“ machen den Staat und seine
Gesetze79, die „empirischen Menschen“ kämpfen mit den Antrieben
der Sinnlichkeit und unterliegen der Zwangswirkung des Strafgesetzes.
Man könnte zur Lösung des Widerspruches an eine Differenzie-
rung im Freiheitsbegriff denken zwischen innerer Freiheit des Men-
schen und äußerer Freiheit des Staatsbürgers80. Aber diese Begriffs-
krücke könnte unseren Fortgang kaum stützen. Wir müssen uns noch-
mals tiefer in die Sache einlassen.
76 Naucke, ZStW 87 (1975), S. 878 nennt Feuerbach einen „aristokratischen Libe-
ralen“. Vgl. auch Specht, Der Strafzweck bei Feuerbach und Liszt und die straf-
rechtliche Lage der Gegenwart, Diss. 1933, S. 15, 16.
Individualpsychologische Begründungen für Feuerbachs Anschauungen geben:
Spoerri, Genie und Krankheit. Eine psychopathologische Untersuchung der Fa-
milie Feuerbach, 1952, S. 30f.; Brockdorff, P. J. A. Feuerbach, Merkwürdige
Verbrechen, 1974, S. 432.
77 Hartmann (o. Anm. 21), S. 175.
78 Revision I S. 41-44 (Erziehung und Abschreckung).
79 Über Philosophie und Empirie, S. 97: „Also nur der Rechtsgelehrte, aber nur
der philosophische Rechtsgelehrte, ist zum Ratgeber für den Gesetzgeber des
Staats berufen.“
80 Naucke (o. Anm. 25), S. 45; Cattaneo (o. Anm. 55), S. 96, 97. Der Punkt
ist nicht, daß es unmöglich wäre, zwischen innerer und äußerer Freiheit zu un-
terscheiden, sofern man die Folgerung zuläßt, daß dann nicht dieselbe „Frei-
heit“ gemeint ist. Aber es erscheint mir unmöglich, die Handlung, die auf eine
Straftat zielt von jener zu unterscheiden, die auf den Abschluß des Gesellschafts-
und Unterwerfungsvertrages zielt; denn beide Handlungen gehen vom selben
Menschen aus.
Kant (Metaphysik der Sitten, AB 18 (Weischedel IV S. 326/327)) hatte zwar zu
einer solchen Unterscheidung den Grund gelegt und damit eine der dunkelsten
Stellen seines Denkens erreicht, indem er nur jenen, der sittlich handelt, für frei
handelnd ansehen wollte. Aber Kant blieb konsequent und unterstellte die Defi-
nition des Rechts selbst (a.a.O., AB 33,34 (Weischedel IV S. 337)) dem „mora-
lischen Begriff desselben“; d.h. der Begriff der Verbindlichkeit oder des Sollens
blieb auch für die besonderen Rechtslehren ein moralischer und stellte inso-
fern die Freiheitsfrage. Im Gegensatz zu Feuerbach war Kant davon überzeugt,
daß das formale Prinzip des Kategorischen Imperativs der gesetzgebenden prak-
Joachim Bohnert
der Widerspruch dieses absolutistischen Republikaners76, daß die
Autonomie jenes Moment zurückdrängen mußte, was sie doch ver-
bürgte: die Selbstgewißheit des rechten Handelns.
Die Freien wurden als Begründer des Staats gedacht, damit dieser
seine vernünftige und vernunftgemäße Grundlage habe. Weil der
Staat das Werk der Vernunft ist, hat er das Recht, selbst autonom
Strafrecht zu setzen77. Das positive Recht muß sein. Die Wirkung
der Gesetze aber liegt im Feld der Natur und damit der Notwen-
digkeit78. Die „intelligiblen Menschen“ machen den Staat und seine
Gesetze79, die „empirischen Menschen“ kämpfen mit den Antrieben
der Sinnlichkeit und unterliegen der Zwangswirkung des Strafgesetzes.
Man könnte zur Lösung des Widerspruches an eine Differenzie-
rung im Freiheitsbegriff denken zwischen innerer Freiheit des Men-
schen und äußerer Freiheit des Staatsbürgers80. Aber diese Begriffs-
krücke könnte unseren Fortgang kaum stützen. Wir müssen uns noch-
mals tiefer in die Sache einlassen.
76 Naucke, ZStW 87 (1975), S. 878 nennt Feuerbach einen „aristokratischen Libe-
ralen“. Vgl. auch Specht, Der Strafzweck bei Feuerbach und Liszt und die straf-
rechtliche Lage der Gegenwart, Diss. 1933, S. 15, 16.
Individualpsychologische Begründungen für Feuerbachs Anschauungen geben:
Spoerri, Genie und Krankheit. Eine psychopathologische Untersuchung der Fa-
milie Feuerbach, 1952, S. 30f.; Brockdorff, P. J. A. Feuerbach, Merkwürdige
Verbrechen, 1974, S. 432.
77 Hartmann (o. Anm. 21), S. 175.
78 Revision I S. 41-44 (Erziehung und Abschreckung).
79 Über Philosophie und Empirie, S. 97: „Also nur der Rechtsgelehrte, aber nur
der philosophische Rechtsgelehrte, ist zum Ratgeber für den Gesetzgeber des
Staats berufen.“
80 Naucke (o. Anm. 25), S. 45; Cattaneo (o. Anm. 55), S. 96, 97. Der Punkt
ist nicht, daß es unmöglich wäre, zwischen innerer und äußerer Freiheit zu un-
terscheiden, sofern man die Folgerung zuläßt, daß dann nicht dieselbe „Frei-
heit“ gemeint ist. Aber es erscheint mir unmöglich, die Handlung, die auf eine
Straftat zielt von jener zu unterscheiden, die auf den Abschluß des Gesellschafts-
und Unterwerfungsvertrages zielt; denn beide Handlungen gehen vom selben
Menschen aus.
Kant (Metaphysik der Sitten, AB 18 (Weischedel IV S. 326/327)) hatte zwar zu
einer solchen Unterscheidung den Grund gelegt und damit eine der dunkelsten
Stellen seines Denkens erreicht, indem er nur jenen, der sittlich handelt, für frei
handelnd ansehen wollte. Aber Kant blieb konsequent und unterstellte die Defi-
nition des Rechts selbst (a.a.O., AB 33,34 (Weischedel IV S. 337)) dem „mora-
lischen Begriff desselben“; d.h. der Begriff der Verbindlichkeit oder des Sollens
blieb auch für die besonderen Rechtslehren ein moralischer und stellte inso-
fern die Freiheitsfrage. Im Gegensatz zu Feuerbach war Kant davon überzeugt,
daß das formale Prinzip des Kategorischen Imperativs der gesetzgebenden prak-