Metadaten

Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0049
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Evangelienüberschriften

47

historischen Ursprung der für uns so rätselhaften Evangelienüber-
schriften. Ich kann das folgende allerdings nur als Hypothese for-
mulieren, die jedoch m.E. begründet ist und das Phänomen besser
erklärt als die bisherigen Vermutungen. Die Titel der Evangelien
könnten von jenen christlichen Schreibern hinzugefügt worden sein,
die durch Kopieren und Versenden für die Verbreitung der Erst-
ausgabe der Evangelienschriften in den Gemeinden der Oikumene
sorgten. Die Überschriften waren notwendig für die Einordnung in
die Gemeindebibliotheken und für die gottesdienstliche Lesung. Nur
auf diese Weise kann ihr hohes Alter und ihre völlige Einheitlichkeit
gegen Ende des 2. Jh.s erklärt werden.
6. Zusammenfassung und Folgerungen
1. Daß die Evangelien als titellose Schriften in den Gemeinden
verbreitet und gottesdienstlich verwendet wurden, ist extrem unwahr-
scheinlich. Gerade wenn eine neue Schrift im Gottesdienst verlesen
wurde, mußte man ankündigen, um was für eine Schrift es sich han-
delte. Dies geschah, wie die Evangelientitel zeigen, mit Hilfe des Stich-
worts „Evangelium“ und durch den Hinweis auf den Autor.
2. Spätestens nachdem in den Gemeinden zwei verschiedene Evan-
gelienschriften vorlagen, mußten sie im Titel unterschieden werden, da-
mit es nicht zu Verwechslungen kam. War der Verfasser der Gemeinde
am Ort wohlbekannt, genügte ein mündlicher Hinweis, sobald jedoch
sein Werk vervielfältigt, an andere Gemeinden versandt und dort
im Archiv deponiert wurde, war ein Titel unbedingt zur Unterschei-
dung von anderen Schriften notwendig. Mindestens bei den größeren
Gemeinden darf man aufgrund des lebhaften Austauschs zwischen
den Gemeinden annehmen, daß diese sich relativ rasch die neu ent-
standenen „Evangelien“ beschafften. Zum Teil wurden sie ihnen wohl
meinde vorgelesen habe. Als er verneint, wird er gelobt: „Du hast recht ge-
handelt, denn ich habe noch Worte hinzuzufugen. Wenn ich alle Worte voll-
endet habe, sollen sie durch dich allen Auserwählten bekanntgemacht werden.
Du sollst nun zwei Abschriften nehmen und eine an Clemens, und eine der
Grapte schicken. Clemens soll sie dann an die auswärtigen Städte senden, denn
das ist seine Aufgabe (πέμψει ούν Κλήμης εις τάς έξω πόλεις, έκείνω γάρ έπι-
τρέπεται). Grapte soll aber (damit) die Witwen und Waisen ermahnen. Du selbst
aber sollst es in dieser Stadt vorlesen vor den Ältesten, die der Gemeinde vor-
stehen“ 8,2f. (vis 2,4,2f.). Offenbar war Clemens für den Verkehr mit den aus-
wärtigen Gemeinden zuständig.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften