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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0059
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Zeit und Geschichte bei Augustin

57

7. Kapitel
Menschliche Erkenntnis als „visio temporalis“ das Wesen der
personalen Zeit Augustins
Im platonischen Timaios sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
defiziente Weisen der am Modell der Präsenz gedachten Seinsaus-
sagen, welche eigentlich nur der Ewigkeit als stehender Gegenwart
zukommen. Nicht ist deshalb die Zeit nicht, sondern als „nach Zahl
bewegtes Bild der Ewigkeit“ (Tim. 37 d 5-7) ist sie die schön geordnete
Weise des Nichtseins der Welt des Werdens. Dieser Ontologie der Zeit
steht bei Augustin im Zusammenhang mit der Personalisierung des
ewigen Seins und der dialogischen Beziehung des menschlichen Ich
zum göttlichen Du personale Zeit in Abhängigkeit von der Zeit der
Kreatur gegenüber, nämlich menschliche Erkenntnis, die nicht Abbild
von Gottes Erkenntnis ist, sondern gerade in ihrem Mangel gegenüber
Gottes Wahrheit und Wissen erkannt wird.
„Certe si est tarn grandi scientia et praescientia pollens animus,
cui cuncta praeterita et futura ita nota sint, sicut mihi unum canticum
notissimum, nimium mirabilis est animus iste [...]. sed absit, ut tu,
conditor universitatis, conditor animarum et corporum, absit, ut ita
noveris omnia futura et praeterita. longe tu, longe mirabilius longeque
secretius. neque enim sicut nota cantantis notumve canticum audientis
expectatione vocum futurarum et memoria praeteritarum variatur
affectus sensusque distenditur, ita tibi aliquid accidit inconmutabiliter
aeterno, hoc est vere aeterno creatori mentium. sicut ergo nosti in prin-
cipio caelum et terram sine varietate notitiae tuae, ita fecisti in princi-
pio caelum et terram sine distinctione actionis tuae“ (conf. 11,31,41)117 118.
Die Gegenüberstellung von Mensch und Gott und der Vergleichs-
bereich Geist und Wissen (scientia, praescientia, animus, nota, nove-
ris, nosti, notitiae)"8 sind unübersehbar; an der entscheidenden Stelle
der Opposition heißt Gott der „ewige Schöpfer des (menschlichen)
Geistes“ („aeterno creatori mentium“), d. h. des zeitlichen Geistes.

117 So sehr es in diesem Abschnitt um Gottes zeitloses Handeln und Vorherwissen
geht, ist es doch einseitig, das Gegenbild im „zeitlichen Vorherwissen und Handeln
der Menschen“ zu sehen (so Duchrow, Zweireichelehre, S. 301). Vorherwissen und
Zukunft sind gegenüber Erinnerung und Vergangenheit nicht hervorgehoben.
118 Zu allen Belegen dieses Kapitels aus den Confessiones kann immer civ. 11,21 als
Sachparallele mitgedacht werden.
 
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