Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0095
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeit und Geschichte bei Augustin

93

Glaubens und des Unglaubens spricht, trifft den Sachverhalt bei
Augustin, macht aber schon keine Aussage mehr zu Einheit und Ziel
von Weltgeschichte. Von Campenhausen sieht daher auch, im Wider-
spruch zu seiner entschiedenen Auffassung Augustins als Geschichts-
philosophen (S. 199), in „De civitate Dei“ einen „doppelten geschicht-
lichen Verlauft (S. 199) vorliegen, so daß es also gar nicht mehr die eine
(Welt-)Geschichte, sondern zwei Geschichten gibt97.
(2) Weltgeschichte und Heilsgeschichte (Dilemma ihrer wechselseiti-
gen Aufhebung)
Wenn Kampf und Auseinandersetzung der beiden „civitates“ fehlen
und wenn daher auch das (von keinem der zitierten Autoren inten-
dierte) Modell eines unentschiedenen Kampfes zweier Prinzipien als
Gehalt einer zwar nicht gerichteten, aber einheitlichen Weltgeschichte
auf Augustins Werk nicht paßt, stellt sich um so dringender die offen-
bar von jenen Autoren (infolge der Universalität des ,Heils4 in säku-
larer Geschichtsphilosophie, d. h. infolge einer Prämisse, die den
Gegenpol eben zum Prinzip des augustinischen Werks, der „civitates“-
Lehre, darstellt) nicht gefragte Frage, wie sich Weltgeschichte, d. h.
Einheit, und Zielgeschichte, als Heilsprozeß nur einer der beiden „civi-
tates44, zusammen denken lassen, wie also Heilsgeschichte der Welt-
geschichte Telos und Einheit geben könne.
Es ist evident, daß Heilsgeschichte allenfalls die Geschichte der
„civitas Dei44 sein kann, daß ein in Hoffnung ergriffenes und geschichts-
wirksames Telos überhaupt nur bei den Gottesbürgern denkbar ist.
Die ewige Verdammung, das Ende der „civitas terrena“, kann dagegen
nicht Ziel sein, ganz abgesehen davon, daß jenes Ende das Ende jeder
Gemeinschaft überhaupt sein wird98, sowie daß es die irdisch Gesinn-
„Dualismus“ sowohl als „Parallelentwicklung der zwei Reiche“ wie als „Interaktion“
versteht.
97 Vgl. Wilhelm Voßkamp, Zeit- und Geschichtsauffassung im 17. Jh. bei Gryphius
und Lohenstein. (Literatur und Wirklichkeit, Bd. 1), Bonn 1967 (= Diss. Kiel 1965),
S. 12 (mit Anm. 22): „Im Gesamtbereich der Geschichte vollzieht sich (sc. in Augu-
stins CD) der Kampf zwischen ,civitas terrena1 und ,civitas Dei1 - bis die Endzeit
den Untergang der ersteren und den Sieg der letzteren herbeifuhrt. Diese Gesamt-
deutung der Zeit, die den universalhistorischen Zusammenhang nicht geschicht-
lich1 betrachtet, sondern deutend aufgliedert unter dem eschatologischen Aspekt
einer Heils-Geschichte und einer Welt-Geschichte, ist im Gesamtbereich des
christlichen Denkens wirksam“.
98 civ. 15,4; II, p. 62,28-30.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften