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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0051
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Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura

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beladefn] Ich will euch widd[er] mit hi[m]lischer speiß vn[d] freud
laben“. Der Heilandsruf Mt 11,28 ist die Grundlage, verbunden mit
Anspielungen auf das alttestamentliche Manna-Wunder, und Joh 6
sowie Apg 14,17. Daß die Menschen auf Erden, angefochten von den
Verlockungen des Satans und gerufen von Gott selbst, die rettende
Leiter gleichwohl nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit der Hilfe
Gottes ersteigen können, machen die Gebetsrufe deutlich, die von den
Menschen auf der Erde zum Himmel gerichtet sind. Der von den Män-
nern links ausgehende nimmt offenbar Ps 118,168 (Vulgata; 119,168)
auf: „0 got mein herr fuhr gerad über/ sich in deinefm] angesicht mei-
nen wegk“; der von den Frauen sich erhebende greift zurück auf Ps
64,6 (Vulgata; 65,6): „Hilft vns got vnser heyl“. Großartig in der Kom-
position wie die Schilderung der menschlichen Situation ist auch die
Zusammenstellung der auf den ‘Gnadenstuhl’ bezogenen Texte: Im
inneren Kreis um die Trinität finden sich die Selbstprädikate Gottes
aus Jes 44,6 und Dtn 32,39: „Ich bin der anfang vnd das End. Sehent
das ich allein vnd kein ander got sey dan[n] ich.“ Und was Gott so von
sich selbst sagt, das wird im äußeren um das Trinitätsmedaillon liegen-
den Spruchband von dem neutestamentlichen ‘Sanctus’ aus dem
Mund der vier Gestalten von Apk 4,8 aufgenommen, die den Evange-
listensymbolen zugrundeliegen: „Heilig Heilig Heilig Almechtiger
hergot der do war ist vnd kunfftig sein wurt.“ Und dieses Heilig wieder-
um findet seine Entsprechung in dem Schriftband, das die beiden
Putten am oberen Rand der Darstellung halten. Hier erklingt das alt-
testamentliche Sanctus aus Jes 6,3: „Heilig heilig heilig Hergot der
vil scharen dein himele vn[d] erde sein voll deiner gloria“.
Zweifellos ist die Auswahl der Texte genau überlegt, wenn auch
wahrscheinlich teilweise von Traditionen abhängig.76 Dennoch kann
man dieses Zusammenspiel von in Bild und Sprache gefaßter Aussage
eigentlich nicht als ein „theologisches Lehrbild“ bezeichnen, denn um
Lehre ist es dem Gestalter des Blattes nicht zu tun. Selbstverständlich
und unaufdringlich gibt sich die gleichwohl präzis durchdachte und
straff durchkonstruierte Konzeption. Und eigentlich auch viel zu spiri-
tualistisch-innerlich wird das Blatt gedeutet, wenn man für die Him-
melsleiter behauptet: „Die Läuterung des Menschen vollzieht sich als
ein ‘Aufstieg des Herzens’ in den Himmel“, und in der Hölle „die

76

So erscheint Jes 6,3 auch in dem den Gnadenstuhl begleitenden Spruchband bei
Cranachs Gemälde ‘Der Sterbende’, vgl. Koepplin/Falk, Cranach 2, S. 467, Nr. 255.
 
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