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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0054
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Gottfried Seebass

selbe und zwar das mitgeteilt, was die dritte Sprosse - in der Form des
Wortes, das zum Sakrament gehört - benennt: Vergebung der Sünde.82
Die Leiter besteht also nicht aus zu ersteigenden Stufen, sondern
bezeichnet die Heilsmittel, deren Gott sich bedient, um zum Men-
schen zu kommen und ihn zu sich zu führen. Zugespitzt formuliert:
Aus einer Leiter, die der Mensch zum Himmel hinaufsteigen soll, wird
die ‘himmlische’, nämlich die Leiter Gottes, auf der dieser sich zum
Menschen wendet und herabsteigt. Die damit angedeutete Doppel-
bewegung von Aufstieg und Abstieg, die den Anklang an die in Gen
28,12 erwähnte Jakobsleiter verstärkt, findet ihre ausdrückliche Bestä-
tigung durch die Inschriften auf den Holmen der Leiter. Auf dem rech-
ten Holm erscheint nun, die absteigende Bewegung anzeigend: „Das
ist das ewige lebe[n]/ das sie dich/ das du allein warer Gott bist/ vnd den
du gesand hast etc. [Jesum Christum erkennen] Joh. 17 [3].“ Eindeutig
geht es um das Kommen Gottes in Christus zum Menschen. Die auf-
steigende Bewegung kommt in der Aufschrift des linken Holms zum
Ausdruck, die, weil der Raum fehlte - andernfalls hätte man das Signet
Lukas Cranachs beseitigen müssen - den Hinweis auf Joh 14,6 nicht
angibt, aber zitiert: „Ich bin der weg/ die warheit vnd das leben. Nie-
mand kompt zum Vater/ den[n] durch mich“. Mit alldem aber ist nun
eine ganz konsequente christologische Deutung der Leiter vollzogen -
Christus selbst ist der Weg, die Leiter - und implizit die reformato-
rische Rechtfertigungslehre aufgenommen worden. Gleichzeitig ergibt
sich auch ein besserer Zusammenhang von Bild und Wort. Denn aus
der nur durch die Unterschrift der vorreformatorischen Fassung zu
erkennenden siebenstufigen Tugendleiter ist nun eine dreistufige
geworden, wobei die Sprüche auf den Holmen die Funktion der Leiter
als Verbindung von Unten und Oben besser zum Ausdruck bringen.
Diese christologische Deutung aber zeitigte auch Folgerungen für
die über dem Gnadenstuhl stehenden und ihn umgebenden Inschrif-
ten: Das alt- und neutestamentliche Sanctus blieb erhalten. Man stellte
lediglich den Wortlaut auf die Lutherische Bibelübersetzung um und
fügte die Fundstellen in den biblischen Büchern hinzu. So lautet die
Überschrift nunmehr: „Heilig/ Heilig/ Heilig ist der HErr Zebaoth/
Alle Land sind seiner ehren vol/ Esaie 6 [3].“, und im äußeren Spruch-
band um die Trinität lesen wir: „Apo. 4 [8]. Heilig/ Heilig/ Heilig ist
Gott der HErr/ der Allmechtige/ der da war/ vnd der da ist/ vnd der da
82 Vgl. die Konzentration auf diese Gabe in beiden Sakramenten und der Beichte im
Kleinen Katechismus Luthers: BSLK, S. 515, 35-516,9; S. 519,11-21 u. 520,22-30.
 
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