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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0061
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Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura

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Nun unterliegt freilich die Überlieferung der Genesisvorlesung
mancherlei Bedenken.97 Dennoch darf man annehmen, daß Luther
die grundlegenden und das Programm tragenden Gedanken, die er
schon 1520 aussprach, auch in der Vorlesung vortrug. In Wittenberg
waren sie sicher bekannt. Seit dem Erscheinen des dritten Bandes von
Luthers Genesisvorlesung, besorgt von Hieronymus Besold 1552,
konnte jedermann dies als Luthers Deutung der Jakobsleiter lesen.
Man geht kaum fehl, wenn man auf sie auch die reformatorische Neu-
fassung der ‘Himmelsleiter’ des Lukas Cranach zurückfuhrt.
Vor diesem theologischen Hintergrund aber stellt sich dann noch
einmal ganz neu die Frage, ob nicht auch das Weglassen der Hölle gute
Gründe in der so veränderten Konzeption der Himmelsleiter hatte.
Jedenfalls war von Luther, etwa in seiner Auslegung des zweiten Arti-
kels im Großen Katechismus, stets hervorgehoben worden, daß sich
der Mensch ohne Christus unter der Herrschaft von Sünde, Teufel und
Tod, ja geradezu in der „Hellen Rachen“ selbst befinde.98 Und ganz in
dieser Linie formulierte die ‘Konkordienformel’ später, daß Christus
„in die Helle gefahren, die Helle allen Gläubigen zerstöret und sie aus
dem Gewalt des Todes, Teufels, ewiger Verdamnus des höllischen
Rachens erlöset habe.“99 Konnte etwa, weil mit dem Glauben an Chri-
stus als die ‘Gottesleiter’ die Hölle der Gottesferne und Teufelsherr-
schaft überwunden ist, auch deren Bild getilgt werden?
4. Die ‘Hölle’ in ihrer reformatorischen Form
In jedem Fall hat unsere Interpretation der Himmelsleiter er-
geben, daß man sie als Bild des gnädigen Handelns Gottes nicht ohne
weiteres mit der Höllendarstellung verbinden konnte, wie dies bei der
Herstellung der Holzschnitte geplant und in der vorreformatorischen
Fassung geschehen war. Andererseits hat man dann aber doch auch
den Druckstock der Hölle weiterverwenden wollen. Dafür lassen sich
durchaus materielle Gründe annehmen - wie übrigens auch für die
97 Zur Überlieferung und Problematik von Luthers Genesisvorlesung, die auf Nach-
schriften Georg Rörers beruht, vgl. Meinhold, Genesisvorlesung, S. 6-20, 141-277
u. 370-428.
98 Vgl. BSLK, S. 650-653.
99 Vgl. BSLK, S. 812f (Epitome 9). Den Anstoß zu diesen Überlegungen und den Hin-
weis auf die lutherische Tradition in diesem Zusammenhang verdanke ich Herrn
Kollegen Eberhard Jüngel, Tübingen.
 
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