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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0028
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Joseph Georg Wolf

wurde.81 Mit der Sachverhaltsschilderung verbindet Cassius die Fest-
stellung, daß der Tatbestand des senatus consultum erfüllt sei: obwohl
das senatus consultum noch unerschüttert stehe, habe kein Sklave die
Tat verhindert. Unter Strafe stellte das senatus consultum allerdings
nur die unterlassene Hilfeleistung; von einer Pflicht, eine drohende Tat
zu verhindern oder zu verraten, war im Silanianum nicht die Rede.82
Der Zweck des Gesetzes aber war natürlich, das Leben des Dominus
zu schützen. Alles was diesem Zweck diente, war darum im Sinne des
Silanianum. Cassius überzieht daher nicht, wenn er es so darstellt, als
solle die Androhung der Todesstrafe bewirken, daß die Tat verraten
oder verhindert wird.
5. Cassius sagt: das senatus consultum sei noch unerschüttert. Erschüt-
terung droht ihm also jetzt in dieser Senatssitzung, wo Straflosigkeit
beschlossen werden soll. Dagegen kämpft er im dritten Teil der Rede,
der argumentatio83. Zunächst84 sollen drei rhetorische Fragen dem
Zuhörer vor Augen führen, was die Folgen wären, wenn der Senat in
diesem Fall Straflosigkeit beschlösse und damit das senatus consultum
‘erschütterte’.85 Wen wird seine Würde beschützen, fragt Cassius,
wenn sie den Stadtpräfekten nicht geschützt hat? Wen werden seine
vielen Sklaven schützen, wenn nicht einmal 400 Sklaven Pedanius vor
seinem Schicksal bewahrt haben? Die Fragen appellieren an das

81 Auch in der narratio soll der Redner movere: Lausberg §293; Quint, inst. 4.2.
Ulf. Zu diesem Ziel paßt es, den Mord an dem Konsular ‘heimtückisch’ zu nennen
- umso mehr, als unter den Zuhörern viele Konsulare sind. Im Kontext (41.1) sagt
Tacitus einfach servus interfecit.
82 Vgl. o. nach A. 12. Anders offenbar D’Ippolito 54.
83 Decernite (43.3) bis inter nocentes agere (44.2). Sie ist der wichtigste Teil der Rede
und hat die Aufgabe, den Standpunkt des Redners (hier also: Ablehnung des
Antrags, Durchführung des Silanianum, Bestrafung aller Sklaven) ‘zu beweisen’,
ihn als richtig darzutun: Lausberg §348; Fuhrmann 89 f.
84 In einer ersten probatio (43.3), vgl. o. bei A. 53.
85 Diese probatio gehört zu den ‘technischen’ oder ‘artifiziellen’ Beweisen: Lausberg
§§ 355 f.; Martin 101 f.; Fuhrmann 90 f. Sie besteht aus einem enthymema ex conse-
quentibus (Quint, inst. 5.10.2): aus der ‘zugestandenen’ inpunitas soll, in einem
rhetorischen, hier sogar stark verkürzten Syllogismus, der Schluß gezogen werden,
daß nur die Bestrafung Schutz bietet (vgl. Ulpian D 29.5.1, u. A. 87) - weil weder
Würde noch viele Sklaven schützen (s. sofort im Text). Diese argumenta werden aus
dem Fall selbst a fortiori gewonnen.
 
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