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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0029
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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zerbrechlicher als ein flaches Astrolab, eher am Schreibtisch als auf
freiem Feld zu verwenden.21
Endgültig wurde die Kluft zwischen Theorie und Praxis wohl erst in
der Frühphase des byzantinischen Mittelalters geschlossen. Jedenfalls
war der planisphärische ‘Sterngreifer’, ö dorQoXdßog nun als Substan-
tiv, seit etwa 530 in Alexandria bekannt, wo ihm der erste christliche
Naturwissenschaftler Johannes Philoponos eine Gebrauchsanweisung
widmete, noch im Geist des Aristoteles, dem er bald abschwor.
Philoponos beschrieb das Gerät erstmals so, wie es fortan aussah, auf
der Vorderseite als runden Behälter mit flachen Einlegescheiben, die
den Himmel für verschiedene Breiten mit Horizont- und Wendekrei-
sen, Höhen- und Richtungskreisen sowie Stundenkurven abbildeten,
darüber drehbar angeordnet die ‘Spinne’ mit dem Tierkreis und den
Örtern markanter Fixsterne, auf der Rückseite vor allem eine Grad-
einteilung am Rand, darüber drehbar angebracht die Visiereinrichtung
zum Anpeilen der Gestirne. Philoponos erwog weit weniger als
Synesios, von welchen Prinzipien das Ineinanderspielen der zwei
Projektionsbilder, des konzentrischen vom feststehenden Himmelsglo-
bus und Erdkreis und des exzentrischen vom bewegten Tierkreis und
Sonnenlauf, gesteuert wurde, viel mehr beschäftigte ihn, wie das
Instrument mit seinen Skalen, Linien und Zeigern zusammengesetzt
und für welche Zwecke es einzusetzen war.22
Anscheinend diente es in Byzanz nicht in erster Linie als Uhr, die das
religiöse und politische Leben geregelt hätte. Vielmehr half es
Gebildeten in den Großstädten zunächst lediglich bei der Demonstra-

21 Synesius Cyrenensis, Hymni et opuscula, hg. von Niccolö Terzaghi, Bd. 2/1
(1944) S. 132-142. Dazu Joseph Vogt und Matthias Schramm, Synesios vor dem
Planisphaerium, in: Das Altertum und jedes neue Gute. Festschrift für Wolfgang
Schadewaldt, hg. von Konrad Gaiser (1970) S. 265-311, hier S. 267-273
Übersetzung, S. 279-307 Rekonstruktion, die die Annahmen von Michel, Traite
S. 6, 177 f. präzisiert. Otto Neugebauer, A History of Ancient Mathematical
Astronomy, Bd. 2 (1975) S. 868-879 akzeptiert diese Spätdatierung des
Astrolabs.
22 Joannis Alexandrini cognomine Philoponi De usu astrolabii eiusque construc-
tionis libellus, hg. von Heinrich Hase, Rheinisches Museum für Philologie 6
(1839) S. 127-172; deutsch bei Julius Drecker, Des Johannes Philoponus Schrift
über das Astrolab, Isis 11 (1928) S. 15-44; englisch bei Gunther, Astrolabes Bd.
1 S. 61-81. Dazu Michel, Traite S. 7; Zinner, Astrolab S. 11 f.; Herbert Hunger,
Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner, Bd. 2 (1978) S. 228 f.
Einseitig Richard Sorabji, John Philoponus, in: Philoponus and the Rejection of
Aristotelian Science, hg. von demselben (1987) S. 1M0, hier S. 37.
 
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