Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0036
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

Arno Borst

Hermann die Beherrschung der arabischen Sprache und Schrift zu.
Doch wie hätte er sie erlernen sollen, wenn nicht durch mündlichen
Unterricht? Dafür hätte er in islamische Länder ziehen müssen, und
dazu war er als Mönch nicht willens, als Gelähmter nicht fähig. In
Wahrheit brauchte Hermann weder Reisen zu unternehmen noch
Fremdsprachen zu lernen.38
Denn der lebhafte Austausch von Gütern und Gedanken zwischen
Cordoba und Barcelona rief zweisprachige Spanier auf den Plan,
zunächst jene Christen, die in Andalusien unter islamischer Herrschaft
lebten. Solche Mozaraber begannen vermutlich nach 970, einzelne
arabische Sternnamen und Fachausdrücke zu übersetzen, sogar ganze
Bauanleitungen und Gebrauchsanweisungen für das Astrolab latei-
nisch auszulegen. Im christlichen Katalonien fanden sie alsbald, um
975, Abnehmer und Nachahmer. Die Spanische Mark befriedigte
damit keinen akuten Eigenbedarf an Zeitmessung; eher ließ sie sich
anstecken von der Erfahrung kulminierender Zeit in den kommunizie-
renden Räumen der iberischen Halbinsel.39
Von dieser Erfahrung beschwingt, stellten vermutlich bereits agile
Muslime in Südspanien das Astrolab vom arabischen Mondkalender
auf den lateinischen Sonnenkalender um und brachten auf der
Rückseite des Instruments zusätzliche Skalen für Tierkreis und Son-
nenjahr an, vorerst so, daß die 12 Häuser des Tierkreises mit je 30
Graden und die 12 Monate des Jahres mit je 30 Tagen den 360 Graden

38 Johannes Trithemius, Opera historica, hg. von Marquard Freher, Bd. 1 (1601) S.
263 über Hermann: trium linguarum Graecae, Latinae etArabicaeperitissimus...
Transtulit etiam nonnulla Graecorum philosophorum et Arabum Astrologorum
Volumina in Latinum. Heinrich Hansjakob, Herimann der Lahme von der
Reichenau. Sein Leben und seine Wissenschaft (1875) S. 35-39 bestritt, daß
Hermann Arabisch konnte. Gunther, Astrolabes Bd. 2 S. 403 glaubte es noch.
Michel, Traite S. 172 hielt es für denkbar, daß Hermann wenigstens nach
Barcelona gereist wäre.
39 Zu diesen namenlosen Übersetzungen Michel, Traite S. 10; Millas, Traduccio-
nes S. 91-96; Destombes, Astrolabe S. 22-30, mit allzu dezidierten Autornen-
nungen; Juan Vernet, Die spanisch-arabische Kultur in Orient und Okzident
(1984) S. 117-124, über Hermann ungenau. Kritisch Uta Lindgren, Die
Spanische Mark zwischen Orient und Okzident. Studien zur kulturellen
Situation der Spanischen Mark im 10. Jahrhundert, in: Gesammelte Aufsätze
zur Kulturgeschichte Spaniens, hg. von Johannes Vincke, Bd. 26 (Spanische
Forschungen der Görresgesellschaft Bd. 1/26, 1971) S. 151-200, hier S.
169-182.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften