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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0039
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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klar und praktisch. Wahrscheinlich hatte er ein Astrolab vor Augen,
doch solange er keinen Lehrer zur Hand und keine Kosmologie im
Kopf hatte, blieb seine Bastelei ziellos und das Gerät wertlos. Mit
Recht ärgerte er sich über die „verwirrten, dunklen und allenthalben
verstümmelten“ Konstruktionsbeschreibungen „bei den Unsrigen“,
den Lateinern. Auf der mühsamen Wanderung ins christliche Abend-
land hatte sich der islamische Sachverstand sichtlich verflüchtigt.47
Übrig blieb, wie es schien, ein Stammeln und Murmeln, das Prunken
mit Halbwissen und Fremdwörtern, typisch für das finstere Mittelalter
und seine schwärzesten Löcher, die Klöster. Die Wortführer der
Moderne von Hutten bis Eco werden nicht müde, die Dunkelmänner
anzuprangern, die dort ihre Zeit vergeudeten und damals alle Wissen-
schaft verdarben. Das paßt in unser aufgeklärtes Vorurteil, daß das
Licht aus dem Morgenland über Bagdad, Damaskus und Kairo längst
aufgegangen sei, aber erst seit dem 12. Jahrhundert den abendländi-
schen Nebel allmählich durchdrungen und ein Klima für zeitbewußte
Wissenschaft geschaffen habe, vorerst an den Rändern des Konti-
nents, in Salerno und Toledo, Paris und Oxford, nicht am Bodensee
hinter den Bergen.48
Schon sehen wir den Verfasser des armseligen Fragments aus
Konstanz fast leibhaftig vor uns, einen gotischen Barbaren im Mönchs-
habit, mit grober Hand kantige Lettern auf eine Kuhhaut werfend, und
neben ihm auf dem Tisch das Kleinod aus Silber, ein zierliches Rund
mit höchst regelmäßigen und doch beschwingten Gravuren, übersät mit

47 Hermann, De mensura astrolabii, Widmungsbrief S. 203: mensura astrolabii,
quae apud nostrates confusa, obscura et passim mutilata vulgo invenitur.
Emmanuel Poulle, Les sources astronomiques. Textes, tables, Instruments
(Typologie des sources du moyen äge Occidental Bd. 39, 1981) S. 30 bestätigt
Hermanns Urteil, ohne ihn zu erwähnen. Zur Benutzung eines konkreten
Astrolabs Drecker in der Hermann-Edition S. 214 f.; anders Poulle, Instruments
S. 32 f.
48 So James Jeans, Der Werdegang der exakten Wissenschaft (1948) S. 111-123
ohne Wenn und Aber; differenziert Heinrich Schipperges, Einflüsse arabischer
Wissenschaft auf die Entstehung der Universität, Nova Acta Leopoldina Neue
Folge 27 (1963) S. 201-212, hier S. 204-208. Dagegen Peter Classen, Die
geistesgeschichtliche Lage im 12. Jahrhundert. Anstöße und Möglichkeiten
(zuerst 1981), jetzt in: Derselbe, Ausgewählte Aufsätze, hg. von Josef Flecken-
stein (Vorträge und Forschungen Bd. 28, 1983) S. 327-346, hier S. 333.
Abwägend Guy Beaujouan, The Transformation of the Quadrivium, in:
Renaissance and Renewal in the Twelfth Century, hg. von Robert L. Benson and
Giles Constable (1982) S. 463-487, hier S. 471-479.
 
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