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Arno Borst
ornamentalen Zeichen, ein Inbegriff raffinierter Kultur. Aber ist ein
solches Beieinander des schlechterdings Unvereinbaren historisch
wahrscheinlich? War es denn wirklich ein kompliziertes islamisches
Astrolab, das dem Christen vorlag, und verstand er wirklich gar nicht,
was er darüber schrieb?
Danach können wir ihn fragen.
4. Die islamischen Astrolabtypen im Konstanzer Fragment
Wer den sachlichen Hintergrund des Konstanzer Fragments freilegen
will, muß nicht nur abhorchen, was der Text aussagt, sondern auch, was
er voraussetzt, was er andeutet und was er verschweigt. Denn an sich
bespricht er nur einzelne Handgriffe am Astrolab, nicht die Konstruk-
tion des Instruments im ganzen, zu Beginn nicht einmal seinen
Gebrauch.49 Der Anfang des vorderen Blatts beendet vielmehr eine
Schilderung der wichtigsten Sternbilder im Tierkreis und ihrer hellsten
Sterne. Das sind allerdings die sogenannten Astrolabsterne, die dem
Beobachter wegen ihrer Stellung oder Helligkeit besonders auffallen
und deshalb als Orientierungssterne auf der ‘Spinne’ des Astrolabs
eigens markiert sind. Unser Autor dürfte 20 von ihnen auf seinem
Gerät vorgefunden haben, vielleicht einige mehr, denn bei wenigstens
vier weiteren zögert er.50
Die Spinne des planisphärischen Astrolabs ist eine Projektion der
exzentrischen Ekliptik, auf der Vorderseite des Instruments um dessen
Hauptachse, den Himmelsnordpol, drehbar angebracht und so durch-
löchert, daß man die einzelnen Sternmarken und den ganzen Tierkreis
zur Deckung bringen kann mit den Linien, Kurven und Kreisen der
darunterliegenden, fest installierten Einlegescheibe. Die Einlegeschei-
be stellt die konzentrische Projektion von Himmelskugel und Erdkreis
auf die Ebene des Äquators von Himmel und Erde dar, gleichfalls mit
dem Nordpol als Mittelpunkt, jedoch nur für eine bestimmte geogra-
phische Breite zutreffend.51
49 Die folgende Inhaltsangabe stützt sich auf den Wortlaut des lateinischen Textes
unten S. 120-127 und die Nachweise in den Fußnoten dort. Die Quellen des
Fragments werden unten S. 48-52 gesondert besprochen.
50 Die Definition der Astrolabsterne nach Kunitzsch, Sternnamen S. 59 f.; ihr
Gesamtverzeichnis ebd. S. 65-96.
51 Meine Analyse hält sich, soweit sie Prinzip, Konstruktion und Gebrauch des
Arno Borst
ornamentalen Zeichen, ein Inbegriff raffinierter Kultur. Aber ist ein
solches Beieinander des schlechterdings Unvereinbaren historisch
wahrscheinlich? War es denn wirklich ein kompliziertes islamisches
Astrolab, das dem Christen vorlag, und verstand er wirklich gar nicht,
was er darüber schrieb?
Danach können wir ihn fragen.
4. Die islamischen Astrolabtypen im Konstanzer Fragment
Wer den sachlichen Hintergrund des Konstanzer Fragments freilegen
will, muß nicht nur abhorchen, was der Text aussagt, sondern auch, was
er voraussetzt, was er andeutet und was er verschweigt. Denn an sich
bespricht er nur einzelne Handgriffe am Astrolab, nicht die Konstruk-
tion des Instruments im ganzen, zu Beginn nicht einmal seinen
Gebrauch.49 Der Anfang des vorderen Blatts beendet vielmehr eine
Schilderung der wichtigsten Sternbilder im Tierkreis und ihrer hellsten
Sterne. Das sind allerdings die sogenannten Astrolabsterne, die dem
Beobachter wegen ihrer Stellung oder Helligkeit besonders auffallen
und deshalb als Orientierungssterne auf der ‘Spinne’ des Astrolabs
eigens markiert sind. Unser Autor dürfte 20 von ihnen auf seinem
Gerät vorgefunden haben, vielleicht einige mehr, denn bei wenigstens
vier weiteren zögert er.50
Die Spinne des planisphärischen Astrolabs ist eine Projektion der
exzentrischen Ekliptik, auf der Vorderseite des Instruments um dessen
Hauptachse, den Himmelsnordpol, drehbar angebracht und so durch-
löchert, daß man die einzelnen Sternmarken und den ganzen Tierkreis
zur Deckung bringen kann mit den Linien, Kurven und Kreisen der
darunterliegenden, fest installierten Einlegescheibe. Die Einlegeschei-
be stellt die konzentrische Projektion von Himmelskugel und Erdkreis
auf die Ebene des Äquators von Himmel und Erde dar, gleichfalls mit
dem Nordpol als Mittelpunkt, jedoch nur für eine bestimmte geogra-
phische Breite zutreffend.51
49 Die folgende Inhaltsangabe stützt sich auf den Wortlaut des lateinischen Textes
unten S. 120-127 und die Nachweise in den Fußnoten dort. Die Quellen des
Fragments werden unten S. 48-52 gesondert besprochen.
50 Die Definition der Astrolabsterne nach Kunitzsch, Sternnamen S. 59 f.; ihr
Gesamtverzeichnis ebd. S. 65-96.
51 Meine Analyse hält sich, soweit sie Prinzip, Konstruktion und Gebrauch des