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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0048
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Arno Borst

der versierte Bruchrechner Hermann braucht sie für das Astrolab
nicht.53
Insgesamt orientiert sich die Beschreibung des Astrolabs im Kon-
stanzer Fragment an den Astrolabtypen des islamischen Spanien. Die
Darstellung vereinfacht aber deren komplizierten Aufbau und igno-
riert die für den islamischen Kult bestimmten Vorrichtungen ebenso
wie die zur astrologischen und vielleicht auch zur geometrischen
Nutzung. Der Gebrauch konzentriert sich in den vorliegenden Bruch-
stücken ganz auf Zeitmessung nach dem römischen Kalender, ohne
indes die Feiertage der christlichen Zeitrechnung zu notieren. Auf die
Präzision früherer arabischer und späterer lateinischer Instrumente
wird kein Wert gelegt. Das Astrolab des Fragments ist außerordentlich
einfach gebaut, es verzichtet auf Zusätze, die dem islamischen Spanien
vertraut waren und im christlichen Europa zum Teil schon bei
Hermann wieder hinzukommen werden. Wir haben ein reduziertes,
verarmtes Astrolab vor uns, kein Meisterwerk der Feinmechanik,
sichtlich den frühesten im lateinischen Westen eingeführten, aber eben
doch einen genuin europäischen Typ. Er kann keinesfalls vor den 970er
Jahren entstanden sein und hielt sich vermutlich nicht lang über die
980er Jahre hinaus.
Nun behauptet der Autor nirgends, daß er ein Astrolab dieses Typs
wirklich in Händen hielt. Es könnte ihm auch bloß literarisch bekannt
geworden sein, aus zweiter Hand. Wir müssen daher untersuchen, ob
die Textgeschichte des Fragments dieselbe früheste Phase der Aneig-
nung spiegelt wie die aus ihm erschlossene Instrumentengeschichte.
Wir fragen also, wie sich seine Darstellungsweise zur ältesten Astro-
labliteratur aus dem christlichen Spanien verhält.

53 Alle Vergleiche mit Hermanns Text beziehen sich auf Hermann, De mensura
astrolabii c. 1-9 S. 204-212; doch korrigiere ich Dreckers Lesarten nach
Kunitzsch, Glossar S. 515-564, sowie zusätzlich nach den Handschriften Paris.
Bibliotheque Nationale, Nouvelles acquisitions latines 229 und Oxford, Bodlei-
an Library, Codex Digby 174. Zum Inhalt von Hermanns Text, dessen kritische
Edition ich vorbereite, am besten Bergmann, Innovationen S. 37-57. Ebd. S. 46
ist die früheste, fast noch zeitgenössische Zeichnung einer Spinne abgebildet,
aus dem vatikanischen Codex Reginensis latinus 598. Zu dieser Handschrift
unten Anm. 121.
 
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