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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0058
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Arno Borst

Umfang nahezu verdreifacht haben. Formal bot sie tatsächlich das
Kompendium, das nach allem bisher Gesagten zu erwarten war.
Größere Überraschungen bereitet der Inhalt des Vorhandenen,
wenn wir uns auf die Suche nach den Quellen machen. Daß es mehrere
und recht unterschiedliche gewesen sein müssen, hat schon die Prüfung
des Inhalts ergeben. Jetzt wollen wir nicht mehr auf die formalen
Überleitungen zwischen den Abschnitten, sondern auf die logische
Stringenz ihrer Abfolge achten. Da alle anderen lateinischen Traktate
zur Astrolabkunde, die zwischen 975 und 1050 entstanden, seit langem
gedruckt sind, finden wir die auf das Fragment einwirkenden und das
Prinzip ihrer Reihung leicht heraus.
Das erste Kapitel mit der Aufzählung der Astrolabsterne übergeht,
was der Autor weiter vorn und weiter hinten besprechen mußte: mit
welchen geometrischen Verfahren die einzelnen Sternmarken auf der
Spinne korrekt anzubringen und welche arithmetischen Himmelskoor-
dinaten jedem Astrolabstern zuzurechnen waren. Hier werden wir
lediglich darüber belehrt, wo die wichtigsten für unseren Horizont
sichtbaren Sternbilder im Tierkreis stehen, wie sie aussehen und
heißen, wo ihre Hauptsterne sitzen und was deren arabische Namen auf
lateinisch bedeuten.
Dabei wiederholt das Fragment wörtlich eine Abhandlung ‘De
utilitatibus astrolabii’, und zwar jenen Abschnitt, dessen Sternhorizont
einen Standort in der Nähe des 50. Breitengrades voraussetzt, also
zwischen Reims und Lüttich. Damit fassen wir den Urheber dieses
Kapitels. Gerbert von Aurillac, der seit 972 vornehmlich in Reims
lebte, schrieb es wahrscheinlich nicht selbst, wohl aber einer seiner
Schüler, entweder in Reims oder in Lüttich. Da Gerbert auf das
Astrolab, wenn überhaupt, erst nach 989 genauer einging, wird das
Kapitel schwerlich vor 990 entstanden sein. Auf der Reichenau sah man
wenige Jahre später bei 48 Grad nördlicher Breite den Sternhimmel
ähnlich wie in Reims und mußte nichts ändern.63

63 Gerberts Schüler. De utilitatibus astrolabii c. 17 S. 137 f. Unbrauchbar sind die
älteren Editionen bei Migne PL Bd. 143 Sp. 389-404; Gunther, Astrolabes Bd. 2
S. 409-418. Zu dem Traktat (J nach Bubnov, IV nach Kunitzsch) Millas, Assaig
S. 169-176; Kunitzsch, Glossar S. 479 f. Seit Vyver, Traductions S. 283 f. weiß
man, daß das Werk nicht so direkt auf Lupitus zurückgeht, wie Michel, Traite S.
10; Destombes, Astrolabe S. 22 f. meinen. Den Beobachtungsort Reims für c. 17
macht erst Bergmann, Innovationen S. 142-144, 151-155 ausfindig. Die
Datierung nach 989 ist begründet von Beaujouan, Apocryphes S. 651; Borst,
 
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