Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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erobert worden war. Schließlich blieb ihm unbekannt, daß die
Katalanen im frühen 11. Jahrhundert zum Gegenangriff antraten und
daß das Kalifat von Cordoba 1031 zerbrach. Wenn Hermann von der
iberischen Halbinsel keine aktuellen Informationen empfing, unter-
richtete ihn auch über das Astrolab weder ein Mönch aus Gorze noch
gar ein Erzdiakon aus Barcelona.82
Mit dem Stichwort Gorze lenkt der Chronist Hermann unseren Blick
auf ein scheinbar ganz anderes Feld, die Kirchenpolitik, genauer, die
Klosterreform. Er maß ihren Erfolg am Bildungsgrad der Personen,
nicht an der Reichweite der Institution. Kaiser Otto der Große hatte
die Mönchsreformer aus St. Maximin in Trier und aus Gorze bei Metz
im ganzen deutschen Reich gefördert und ihnen 972 auch die Reiche-
nau geöffnet. Hermann war zunächst einverstanden, denn der erste
Reformabt, der aus dem Konvent selbst aufgestiegene Ruodmann,
hatte das Inselkloster materiell sehr bereichert und so den Aufschwung
seiner Schreib- und Malschule ermöglicht. Die neuen Beziehungen
führten bis Trier, weiter noch nicht.83
Daß die Reform aus Trier 975 sogar nach Regensburg vordrang, ging
den Reichenauer Hermann nichts an. Ebensowenig beachtete er ihre
Einführung im Eifelkloster Prüm 1003 durch Abt Immo von Gorze
persönlich, der in Gorze seit 984 als zweiter Nachfolger des Spanien-
reisenden Johannes amtierte. Empörend fand es Hermann jedoch, daß
Kaiser Heinrich II. den vornehmen und gebildeten Reichenauern 1006
eben diesen Immo von Gorze und Prüm als Abt aufzwang. Immo galt
unter Freunden als umgänglicher Mensch, doch die Reichenauer
empfingen ihn als Feind, als „mürrischen Mann“, wie Hermann ihn
abstempelte. Immo suchte ihren Stolz durch härteste Zucht, durch
Fasten und Prügel zu brechen. Fast hätte er ihren Konvent zersprengt,
aber in die Knie gingen sie nicht. Die Empfindlichsten liefen ihm davon
82 Dazu Archibald L. Lewis, The Development of Southern French and Catalan
Society 718-1050 (1965) S. 287-336; Jose M. Lacarra, Mauren und Christen in
Spanien 711-1035, in: Handbuch der europäischen Geschichte, hg. von Theodor
Schieder, Bd. 1 (1976) S. 997-1033, hier S. 1013-1033.
83 Hermann, Chronicon a. 972 S. 116, wo nur der ökonomische Umschwung
erwähnt ist. Zum Hintergrund Kassius Hallinger, Gorze - Kluny. Studien zu den
monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter, Bd. 1 (zuerst
1950, 21971) S. 108, 611-617; ergänzend Joachim Wollasch, Mönchtum des
Mittelalters zwischen Kirche und Welt (1973) S. 158-161.
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erobert worden war. Schließlich blieb ihm unbekannt, daß die
Katalanen im frühen 11. Jahrhundert zum Gegenangriff antraten und
daß das Kalifat von Cordoba 1031 zerbrach. Wenn Hermann von der
iberischen Halbinsel keine aktuellen Informationen empfing, unter-
richtete ihn auch über das Astrolab weder ein Mönch aus Gorze noch
gar ein Erzdiakon aus Barcelona.82
Mit dem Stichwort Gorze lenkt der Chronist Hermann unseren Blick
auf ein scheinbar ganz anderes Feld, die Kirchenpolitik, genauer, die
Klosterreform. Er maß ihren Erfolg am Bildungsgrad der Personen,
nicht an der Reichweite der Institution. Kaiser Otto der Große hatte
die Mönchsreformer aus St. Maximin in Trier und aus Gorze bei Metz
im ganzen deutschen Reich gefördert und ihnen 972 auch die Reiche-
nau geöffnet. Hermann war zunächst einverstanden, denn der erste
Reformabt, der aus dem Konvent selbst aufgestiegene Ruodmann,
hatte das Inselkloster materiell sehr bereichert und so den Aufschwung
seiner Schreib- und Malschule ermöglicht. Die neuen Beziehungen
führten bis Trier, weiter noch nicht.83
Daß die Reform aus Trier 975 sogar nach Regensburg vordrang, ging
den Reichenauer Hermann nichts an. Ebensowenig beachtete er ihre
Einführung im Eifelkloster Prüm 1003 durch Abt Immo von Gorze
persönlich, der in Gorze seit 984 als zweiter Nachfolger des Spanien-
reisenden Johannes amtierte. Empörend fand es Hermann jedoch, daß
Kaiser Heinrich II. den vornehmen und gebildeten Reichenauern 1006
eben diesen Immo von Gorze und Prüm als Abt aufzwang. Immo galt
unter Freunden als umgänglicher Mensch, doch die Reichenauer
empfingen ihn als Feind, als „mürrischen Mann“, wie Hermann ihn
abstempelte. Immo suchte ihren Stolz durch härteste Zucht, durch
Fasten und Prügel zu brechen. Fast hätte er ihren Konvent zersprengt,
aber in die Knie gingen sie nicht. Die Empfindlichsten liefen ihm davon
82 Dazu Archibald L. Lewis, The Development of Southern French and Catalan
Society 718-1050 (1965) S. 287-336; Jose M. Lacarra, Mauren und Christen in
Spanien 711-1035, in: Handbuch der europäischen Geschichte, hg. von Theodor
Schieder, Bd. 1 (1976) S. 997-1033, hier S. 1013-1033.
83 Hermann, Chronicon a. 972 S. 116, wo nur der ökonomische Umschwung
erwähnt ist. Zum Hintergrund Kassius Hallinger, Gorze - Kluny. Studien zu den
monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter, Bd. 1 (zuerst
1950, 21971) S. 108, 611-617; ergänzend Joachim Wollasch, Mönchtum des
Mittelalters zwischen Kirche und Welt (1973) S. 158-161.