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Arno Borst
8. Klosterreform und Zeitrechnung bei Abbo von Fleury
Bern erzählt es uns selbst: In Frankreich hatte er studiert, im Kloster
Fleury an der Loire bei Orleans.90 Die Forschung wollte es ihm nicht
glauben, bis sich 1935 in einem astronomischen Codex des späten 10.
Jahrhunderts aus Fleury ein lustiger Vergleich fand: „Wenn du hörst,
daß der Neumond immer zwölf Grad von der Sonne entfernt ist, dann
denk dir das so, wie wenn Bern zwölf Brüder weit von seinem Abt
stünde, als dreizehnter in der Reihe.“ Die anderen Handschriften des
978 verfaßten Traktats nannten statt Bern, der den Codex abschrieb,
den Namen des Autors, des Klosterschulmeisters Abbo von Fleury, der
sich so als Verfasser vorstellte, ohne die mönchische Demut zu
verletzen.91
Als Bern nach Fleury kam, um 994 jung wie ein Neumond, stand dort
Abbo als erster in der Reihe, als Abt. Seit seiner Abtwahl 988 konnte er
seinen weltlichen Geschäften nur noch wenig Zeit zum Lesen und
Schreiben abringen.92 Nun aber reformierte er die Benediktinerklöster
in Frankreich, zusammen mit Abt Odilo von Cluny, dessen zweiter
Vorgänger um 930 den Aufschwung Fleurys eingeleitet hatte. Der
Einfluß der Abtei erstreckte sich schon vor Abbos Zeit auf zahlreiche
Klöster in Bischofsstädten, Chartres und Sens, Reims und Laon, Toul
90 Bern. Ratio generalis de initio adventus, hg. von Migne PL Bd. 142 Sp. 1087 f.
Dazu mit stützenden Belegen Bernhard Bischoff, in: Carl Erdmann, Forschun-
gen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters (1951) S. 112 Anm. 2. Damit
sind die Zweifel von P. Blanchard, Notes sur les oeuvres attribuees ä Bernon de
Reichenau, Revue Benedictine 29 (1912) S. 98-107, hier S. 104-107 ausgeräumt.
Oesch, Berno S. 29-32; Bergmann, Traktat S. 97 f., die an ihnen festhalten,
übersehen oder unterschätzen die Nachweise von Vyver, Abbon.
91 Abbo, De cursu VII planetarum per zodiacum circulum, ungedruckt; ich
kontrollierte den Originaltext an der Handschrift Cambridge, Trinity College,
Codex 945, Blatt 3 verso - 5 verso, die Nennung Abbos hier Blatt 4 recto. Zu
seinem Werk und Berns Eingriff Vyver, Abbon S. 140-144; Andre van de Vyver,
Les plus anciennes traductions latines medievales (Xe - XIIe siecles) des traites
d’astronomie et d’astrologie, Osiris 1 (1936) S. 658-691, hier S. 677 f. Zu Abbos
Tätigkeit als Schulleiter Mostert, Abbo S. 30-32.
92 Aimoin von Fleury, Vita Abbonis abbatis Floriacensis c. 7, in: Abbo, Opera Sp.
393: nullum pene intermittebat tempus, quin legeret, scriberet dictaretve - eine
Anspielung auf die Benediktsregel (unten Anm. 100); dazu Mostert, Abbo S. 30.
Abbo selbst klagte über Abhaltungen vom Studium im Brief an zwei Mönche
von Fleury 1003, hg. von Cordoliani, Abbon S. 477.
Arno Borst
8. Klosterreform und Zeitrechnung bei Abbo von Fleury
Bern erzählt es uns selbst: In Frankreich hatte er studiert, im Kloster
Fleury an der Loire bei Orleans.90 Die Forschung wollte es ihm nicht
glauben, bis sich 1935 in einem astronomischen Codex des späten 10.
Jahrhunderts aus Fleury ein lustiger Vergleich fand: „Wenn du hörst,
daß der Neumond immer zwölf Grad von der Sonne entfernt ist, dann
denk dir das so, wie wenn Bern zwölf Brüder weit von seinem Abt
stünde, als dreizehnter in der Reihe.“ Die anderen Handschriften des
978 verfaßten Traktats nannten statt Bern, der den Codex abschrieb,
den Namen des Autors, des Klosterschulmeisters Abbo von Fleury, der
sich so als Verfasser vorstellte, ohne die mönchische Demut zu
verletzen.91
Als Bern nach Fleury kam, um 994 jung wie ein Neumond, stand dort
Abbo als erster in der Reihe, als Abt. Seit seiner Abtwahl 988 konnte er
seinen weltlichen Geschäften nur noch wenig Zeit zum Lesen und
Schreiben abringen.92 Nun aber reformierte er die Benediktinerklöster
in Frankreich, zusammen mit Abt Odilo von Cluny, dessen zweiter
Vorgänger um 930 den Aufschwung Fleurys eingeleitet hatte. Der
Einfluß der Abtei erstreckte sich schon vor Abbos Zeit auf zahlreiche
Klöster in Bischofsstädten, Chartres und Sens, Reims und Laon, Toul
90 Bern. Ratio generalis de initio adventus, hg. von Migne PL Bd. 142 Sp. 1087 f.
Dazu mit stützenden Belegen Bernhard Bischoff, in: Carl Erdmann, Forschun-
gen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters (1951) S. 112 Anm. 2. Damit
sind die Zweifel von P. Blanchard, Notes sur les oeuvres attribuees ä Bernon de
Reichenau, Revue Benedictine 29 (1912) S. 98-107, hier S. 104-107 ausgeräumt.
Oesch, Berno S. 29-32; Bergmann, Traktat S. 97 f., die an ihnen festhalten,
übersehen oder unterschätzen die Nachweise von Vyver, Abbon.
91 Abbo, De cursu VII planetarum per zodiacum circulum, ungedruckt; ich
kontrollierte den Originaltext an der Handschrift Cambridge, Trinity College,
Codex 945, Blatt 3 verso - 5 verso, die Nennung Abbos hier Blatt 4 recto. Zu
seinem Werk und Berns Eingriff Vyver, Abbon S. 140-144; Andre van de Vyver,
Les plus anciennes traductions latines medievales (Xe - XIIe siecles) des traites
d’astronomie et d’astrologie, Osiris 1 (1936) S. 658-691, hier S. 677 f. Zu Abbos
Tätigkeit als Schulleiter Mostert, Abbo S. 30-32.
92 Aimoin von Fleury, Vita Abbonis abbatis Floriacensis c. 7, in: Abbo, Opera Sp.
393: nullum pene intermittebat tempus, quin legeret, scriberet dictaretve - eine
Anspielung auf die Benediktsregel (unten Anm. 100); dazu Mostert, Abbo S. 30.
Abbo selbst klagte über Abhaltungen vom Studium im Brief an zwei Mönche
von Fleury 1003, hg. von Cordoliani, Abbon S. 477.