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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0072
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Arno Borst

englische, deutsche Äbte bestellten sich aus Fleury einen Muster-
mönch, an dem sich ihr Konvent erbauen sollte, oder sie schickten ihre
besten Nachwuchskräfte an diese Hochschule des Mönchtums. So kam
auch Bern von Prüm nach Fleury.* * * 98
Abbo gestaltete die benediktinische Ordnung nicht mehr nach
überlieferten Bräuchen, sondern nach der „Wahrheit der Natur“, das
hieß, nach gelehrter Erkenntnis. Klösterliches Leben war Reflektion in
doppeltem Sinn: nachdenkliche Erforschung und ungetrübte Wider-
spiegelung von Gottes kosmischer Ordnung. Mit Abbos Worten von
994: „Meine Seele verlangte nach der mühsamen Muße geistlicher
Philosophie“.99 Was er wollte, hatte im Kern bereits die Regel des
Ordensgründers vom Montecassino verlangt: Weil Müßiggang ein
Feind der Seele sei, müßten sich die Brüder zu bestimmten Zeiten mit
Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung befassen.
Wann sie das eine und das andere tun sollten, war in der Benediktsregel
schon vorgeschrieben, bis auf die Stunde genau.100
Auf die Stunde, nicht auf die Minute; zudem schien die Sonne auf
dem Montecassino zu anderen Stunden als an der Loire. Mit der
Festlegung von Gebetsstunden und Arbeitszeiten begründeten die
mittelalterlichen Benediktiner nicht etwa, wie man heute gern meint.

allgemein Mostert, Abbo S. 32-36. Den Gesamtbestand sichtet jetzt Marco
Mostert, The library of Fleury. A provisional list of manuscripts (1989) S. 19-28.
Ich danke ihm für seine Hilfsbereitschaft.
98 Dazu Anselme Davril, Un moine de Fleury aux environs de l’an Mil: Thierry, dit
d’Amorbach, in: Louis, Etudes S. 97-104: Der vermutlich um 960 im deutschen
Sprachraum geborene Dietrich wurde unter Abbo Mönch von Fleury, besuchte
1002 die Mönche des Montecassino, nach 1010 die Abtei Amorbach und stellte
die Gewohnheiten von Fleury als Vorbild für eine Klostergründung in Hildes-
heim zusammen. Danach sind die Angaben von Borst, Zahlenkampfspiel S. 59
zu korrigieren. Abbo selbst hatte von 985 bis 987 im englischen Kloster Ramsey
gelehrt; dazu Mostert, Abbo S. 40-45.
99 Abbo, Liber Apologeticus, in: Opera Sp. 461. Dazu Mostert, Abbo S. 27 f.,
48-51. Abbos Begriff von Philosophie orientierte sich an dem pythagoreisch-
platonischen von Boethius, De institutione arithmetica I, 1, hg. von Gottfried
Friedlein (1867) S. 7-10, und von Macrobius, Commentarii in Somnium
Scipionis I, 8, 4, hg. von James Willis (1970) S. 37.
100 Benedicti Regula c. 48, hg. von Rudolf Hanslik (Corpus scriptorum ecclesiasti-
corum Latinorum Bd. 75, 21977) S. 125. Mit derselben Stelle rechtfertigte
Hermann der Lahme, Epistola ad Herrandum, hg. von Borst, Forschungsbericht
S. 476 seine Forschungsarbeit; dazu ebd. S. 420 f.
 
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