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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0077
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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den Irrtum. Den besten Gegenbeweis trat Konstantin an, ein angese-
hener Musiker und Astronom, angeblich aus karolingischem Geblüt.
Von Abbo muß er viel gelernt haben, bevor er 985 dessen Amt als
Klosterschulmeister in Fleury übernahm. Er war aber auch eng mit
Gerbert befreundet, dem seine Vornehmheit und Gelehrsamkeit
imponierten.* * * 115 Auf Konstantins Bitten schrieb Gerbert die meisten
seiner Werke über Arithmetik, Musik und Astronomie und schickte sie
ihm.116 Obwohl Konstantin politisch mehr zu Gerbert als zu Abbo
neigte, wird er eingesehen haben, daß die gelehrten Standpunkte der
beiden Kampfhähne nicht so weit auseinanderlagen, wie sie selber
meinten.117
Auch Abbo stand ja wie Gerbert auf dem Boden dieser Erde und
träumte sich nicht in den Himmel fort. Wer den Standort und das
Blickfeld der Abtei Fleury realistisch einschätzte, mußte unentwegte
Heiligung des Diesseits und Aneignung des Befremdlichen weiterhin
predigen. Für beides fand man die überzeugendsten Argumente in
einem Prolog, den Seniofredus-Lupitus von Barcelona den katalani-
schen Übersetzungen vorangestellt hatte, wahrscheinlich erst 984, auf
Gerberts Anforderung hin. Beschwörend hielt er den Franzosen vor,
was arabische Wissenschaft im Leben tatkräftiger und nachdenklicher
Christen ausrichten könne.
Da hieß es, man müsse das Astrolab nicht wie die Chaldäer zur
astrologischen Zerstückelung der Lebenszeit mißbrauchen. Man kön-
ne an ihm die Gesetze von Gottes Weltenbau ablesen und nach diesen

Abbo, Opera Sp. 417 f., die Mitteilung von Abbos Tod 1004, ging auch an das
katalanische Kloster Ripoll; dazu Vyver, Abbon S. 155 Anm. 6. Siehe unten
Anm. 131.
115 Gerbert, Briefsammlung Nr. 92 S. 122 empfahl Ende 986 einem Mönch von
Aurillac als Lehrer der Musik Constantinum Floriacensem: Est enim nobilis
scolasticus, adprime eruditus michique in amicicia coniunctissimus.
116 Gerbert, Regulae de numerorum abaci rationibus, hg. von Bubnov, Gerbert S.
6-8; De norma rationis abaci, ebd. S. 23 f.; De sphaera, ebd. S. 25-28; zwei
Scholien zu Boethius’ Institutio Musica, ebd. S. 29-31 wurden Konstantin
gewidmet.
117 Über Konstantin Vyver, Abbon S. 160 f.; Fritz Weigle, Studien zur Überliefe-
rung der Briefsammlung Gerberts von Reims III, DA 14 (1958) S. 149-220, hier
S. 158-164; Werner, Gerbert S. 113-119; Robert-Henri Bautier und Gillette
Labory, Helgaud de Fleury. Vie de Robert le Pieux (Sources d’histoire
medievale Bd. 1, 1965) S. 23-25. Als Gegenspieler Abbos zeichnet ihn am
entschiedensten Karl Ferdinand Werner, Constantin von Fleury, in: Lexikon des
Mittelalters Bd. 3 (1986) Sp. 169 f.; behutsamer Riehe, Gerbert S. 78.
 
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