Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0084
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
74

Arno Borst

vom Kaiserhof erschlugen ihn deutsche Räuber und brachten ihn um
den Lohn seines verfehlten Strebens.129
Der Kirchenreformer Damiani, mittlerweile Kardinal an der römi-
schen Kurie, drang auf christliche Nutzung der gestundeten Zeit,
ähnlich wie der Klosterreformer Abbo vor zwei Generationen. Aber
vom Astrolab, von den Wissenschaften überhaupt und ihren interna-
tionalen Kontakten erwartete der Asket für monastisch Gesinnte keine
geistliche Läuterung, keinen geistigen Gewinn, nur Verführung und
Korruption. In ihren Dunstkreis verwies er auch das Kaisertum
Konrads. Dem Papsttum half er, den Bann niedriger Gelüste zu
brechen und sich zu mönchischer Reinheit aufzuschwingen; darum sah
er über Gerberts Nachwirkung hinweg.
Anderswo in Europa, zumal in Frankreich, schloß das Menschenal-
ter nach Abbo und Gerbert, obwohl ihm die Zeit nicht mehr knapp
wurde, wenigstens die Kluft zwischen den Schulen, öffnete die Grenzen
zwischen den Völkern und verquickte die Vertiefung christlichen
Strebens mit der Erweiterung des wissenschaftlichen Blickfelds. Es war
nicht bloß Stolz auf zwei Landsleute, wenn der aquitanische Chronist
Ademar von Chabannes um 1030 Gerbert und Abbo gleichermaßen als
große Philosophen anerkannte, nämlich als Menschen, die nichts
anderes taten als sie dachten. Der Papst war aus Wissensdurst
angeblich sogar nach Cordoba gereist, der Abt hatte für seine
Überzeugung das Martyrium erlitten.130

129 De sancta simplicitate scientiae inflanti anteponenda c. 6, hg. von Paolo Brezzi
und Bruno Nardi, San Pier Damiano. De divina omnipotentia e altri opuscoli
(Edizione nazionale dei classici del pensiero italiano Bd. 5, 1943) S. 184-186.
Dazu Zinner, Ptolemaeus S. 287; doch kann dieses Astrolab nicht der 842
zerstörte discus aus Karls des Großen Erbe (oben Anm. 30) gewesen sein. Zu
Hugo Josef Fleckenstein, Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 2
(Schriften der MGH. Bd. 16/2, 1966) S. 195, 198; Damiani schrieb aber nicht,
daß Hugo das Astrolab selbst konstruierte oder auch bloß benutzte.
130 Ademar von Chabannes, Chronique III, 31, hg. von Jules Chavanon (1897) S.
154 zu Gerbert; III, 39 S. 161 zu Abbo. Zum französischen Ideal desphilosophus
Borst, Zahlenkampfspiel S. 50. Seine deutsche Aneignung ist zu spät datiert bei
Hagen Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont.
Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024 bis 1250 (Propyläen
Geschichte Deutschlands Bd. 2,1986) S. 227-229; Detlef Ulmer, Neue Einflüsse
auf Erziehung, Ausbildung und Wissenschaft, in: Die deutsche Kultur des hohen
Mittelalters, hg. von Alois Wolf (Handbuch der Kulturgeschichte, 1986) S.
143-176, hier S. 149-153.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften