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Arno Borst
te Ausführung einem befreundeten Mönch von Micy, der ihm die
Quelle besorgt haben mag. Abgeschrieben wurde Ascelins Werk auch
in Chartres.134
Nach Chartres wiederum schickten vor 1030 die Benediktiner von
St. Emmeram in Regensburg ihren Mitmönch Hartwic, damit er in
Fulberts Schule studiere. Er besuchte auch Reims und brachte aus
Gerberts Nachlaß ebenfalls Handschriften mit. Bald kopierten die
Regensburger außerdem von den Reichenauern deren Astrolab-
Traktate, die ihrerseits aus Fleury nach Deutschland gekommen
waren.135 Wie Otloh von St. Emmeram bezeugt, studierten viele seiner
Mitmönche mithilfe des Astrolabs begeistert Sternenlauf und Zeitmes-
sung.136
So beteiligten sich die Reformer in Berns Umkreis eifrig am
europäischen Ringtausch der Manuskripte und Argumente. Die
gemeinsame Bemühung der Klügsten und Frömmsten zog, wie es
schien, dem Astrolab die luziferischen Zähne und nahm es in geistliche
Zucht. Das Gelingen der Rezeption half die Zeit nicht nur im Moment
zu erkennen, sondern im Wesen zu deuten, wenn nicht als endgültige
Kulmination, so doch als fortschreitende Kumulation. Zeit erschien als
erfüllte Gegenwart der jeweils Lebenden, die alles prüfen und das
Beste behalten, die in ihre vielstimmige Harmonie noch das Fremdar-
tigste aufnehmen, die sich darum vor der Vergangenheit nicht schämen
und vor der Zukunft nicht fürchten. Als Bern von Reichenau im April
1048, kurz vor dem Tod, den monumentalen Westbau seiner Abtei-
134 Compositio Ascelini, hg. von Bergmann, Innovationen S. 223-225. Dazu
Werner, Gerbert S. 100-112; ergänzend und berichtigend Bergmann, Innova-
tionen S. 99-105. Ob Ascelin in die Tradition Gerberts mit ihrer Betonung der
Geometrie paßt, bleibt fragwürdig.
135 Zum Einfluß von Chartres Bernhard Bischoff, Literarisches und künstlerisches
Leben in St. Emmeram (Regensburg) während des frühen und hohen Mittelal-
ters (zuerst 1933), jetzt in: Derselbe, Mittelalterliche Studien. Ausgewählte
Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, Bd. 2 (1967) S. 77-115, hier
S. 80-84. Zum Einfluß von Reims Harriet P. Lattin, The Eleventh Century MS
Munich 14436: Its Contribution to the History of Coordinates, of Logic, of
German Studies in France, Isis 38 (1948) S. 205-225.
136 Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum de mysteriis numeri ternarii, hg. von
Migne PL Bd. 146 Sp. 136. Dazu Borst, Zahlenkampfspiel S. 135 f. Otlohs Sätze,
die sich gegen den früher von ihm geteilten Eifer richteten, sind übersehen von
Gillian R. Evans, ‘Studium discendi’: Otloh of St. Emmeram and the Seven
Liberal Arts, Recherches de theologie ancienne et medievale 44 (1977) S.
29-54.
Arno Borst
te Ausführung einem befreundeten Mönch von Micy, der ihm die
Quelle besorgt haben mag. Abgeschrieben wurde Ascelins Werk auch
in Chartres.134
Nach Chartres wiederum schickten vor 1030 die Benediktiner von
St. Emmeram in Regensburg ihren Mitmönch Hartwic, damit er in
Fulberts Schule studiere. Er besuchte auch Reims und brachte aus
Gerberts Nachlaß ebenfalls Handschriften mit. Bald kopierten die
Regensburger außerdem von den Reichenauern deren Astrolab-
Traktate, die ihrerseits aus Fleury nach Deutschland gekommen
waren.135 Wie Otloh von St. Emmeram bezeugt, studierten viele seiner
Mitmönche mithilfe des Astrolabs begeistert Sternenlauf und Zeitmes-
sung.136
So beteiligten sich die Reformer in Berns Umkreis eifrig am
europäischen Ringtausch der Manuskripte und Argumente. Die
gemeinsame Bemühung der Klügsten und Frömmsten zog, wie es
schien, dem Astrolab die luziferischen Zähne und nahm es in geistliche
Zucht. Das Gelingen der Rezeption half die Zeit nicht nur im Moment
zu erkennen, sondern im Wesen zu deuten, wenn nicht als endgültige
Kulmination, so doch als fortschreitende Kumulation. Zeit erschien als
erfüllte Gegenwart der jeweils Lebenden, die alles prüfen und das
Beste behalten, die in ihre vielstimmige Harmonie noch das Fremdar-
tigste aufnehmen, die sich darum vor der Vergangenheit nicht schämen
und vor der Zukunft nicht fürchten. Als Bern von Reichenau im April
1048, kurz vor dem Tod, den monumentalen Westbau seiner Abtei-
134 Compositio Ascelini, hg. von Bergmann, Innovationen S. 223-225. Dazu
Werner, Gerbert S. 100-112; ergänzend und berichtigend Bergmann, Innova-
tionen S. 99-105. Ob Ascelin in die Tradition Gerberts mit ihrer Betonung der
Geometrie paßt, bleibt fragwürdig.
135 Zum Einfluß von Chartres Bernhard Bischoff, Literarisches und künstlerisches
Leben in St. Emmeram (Regensburg) während des frühen und hohen Mittelal-
ters (zuerst 1933), jetzt in: Derselbe, Mittelalterliche Studien. Ausgewählte
Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, Bd. 2 (1967) S. 77-115, hier
S. 80-84. Zum Einfluß von Reims Harriet P. Lattin, The Eleventh Century MS
Munich 14436: Its Contribution to the History of Coordinates, of Logic, of
German Studies in France, Isis 38 (1948) S. 205-225.
136 Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum de mysteriis numeri ternarii, hg. von
Migne PL Bd. 146 Sp. 136. Dazu Borst, Zahlenkampfspiel S. 135 f. Otlohs Sätze,
die sich gegen den früher von ihm geteilten Eifer richteten, sind übersehen von
Gillian R. Evans, ‘Studium discendi’: Otloh of St. Emmeram and the Seven
Liberal Arts, Recherches de theologie ancienne et medievale 44 (1977) S.
29-54.