Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0088
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
78

Arno Borst

Deshalb maß er den Instrumenten immer größere Bedeutung zu.
Nicht aus der Fülle des Gemüts, der sinnlichen Erfahrung, der
abstrakten Vernunft allein, nur durch ständige Übung mit Hilfsmitteln
sämtlicher Wissenszweige konnten die Menschen vernünftiges Denken
und Handeln lernen. Dazu verhalfen ihnen beim Musizieren Mono-
chord und Tonschrift, beim Dichten poetische und rhythmische
Muster, beim Rechnen Abacus und Zahlenkampfspiel, beim Beobach-
ten Herstellung und Handhabung des Astrolabs. Um diese Werkzeuge
zu erläutern, schrieb Hermann die meisten seiner Werke.139
Sein Abt Bern nahm zwischen 1031 und 1042 Verbindung zur
Lütticher Domschule auf, wohl nicht zu Radulf, aber zum Dompropst
und nachmaligen Bischof Wazo, der bei Gerberts Schülern als
vortrefflicher Mathematiker galt und überdies zum Wortführer der
lothringischen Kirchenreform aufstieg.140 Vielleicht lernte Hermann
nun durch Berns Vermittlung die Astrolab-Schrift aus Gerberts Kreis
ungekürzt kennen. Wer sie verfaßt hatte, wußte er wohl nicht; daß sie
wirklich aus der Reimser Schule kam, wissen auch wir erst seit kurzem.
Hermann muß sie alsbald gründlich studiert haben, um sich mit dem
Astrolab besser vertraut zu machen, als es das Lehrbuch aus Fleury
erlaubte.141

139 Musica Hermanni Contracti c. 12, hg. von Leonard Ellinwood (21952) S. 41,
wohl seine früheste Absichtserklärung dieser Art. Zu den Mustern seiner Poesie
Paul Klopsch, Einführung in die mittelalterliche Verslehre (1972) S. 32 f., 97;
doch ist hier das meiste noch zu tun. Zu den mathematischen Schriften
zusammenfassend Borst, Zahlenkampfspiel S. 81-97, 335-339. Zu den kompu-
tistischen. die ich demnächst edieren will, vorerst Borst, Forschungsbericht S.
407-431; Borst, Computus S. 32-34; ohne neue Gesichtspunkte Werner
Bergmann, Chronographie und Komputistik bei Hermann von Reichenau, in:
Historiographia mediaevalis. Festschrift für Franz-Josef Schmale, hg. von
Dieter Berg u. a. (1989) S. 103-117.
140 Bern. Briefe Nr. 19 S. 52 an Wazo. Hermann, Chronicon a. 1048 S. 128 nannte
den 1048 verstorbenen Wazo vir doctus. Zu seiner Bedeutung als Mathematiker
die Quellenstellen bei Bubnov, Gerbert S. 244 f., 384 f. Zu seinem Platz in der
Lütticher Schule Paul L. Butzer und A. Schaffrath, Mathematics in Belgium
from the Time of Charlemagne to the Seventeenth Century, Bulletin de la
Societe Royale des Sciences de Liege 55 (1986) S. 99-134, hier S. 101 f.
141 Gerberts Schüler, De utilitatibus astrolabii c. 1-19 S. 114-146. Für diese
19-Kapitel-Fassung zeigt Bergmann, Innovationen S. 148-163 meines Erachtens
lediglich die Entstehung in Gerberts Reimser Schule, nicht dessen persönliche
Urheberschaft; siehe oben Anm. 63. Die grundsätzliche Skepsis von Vyver,
Traductions S. 273 f.; Poulle, Astronomie S. 610-615 ist allerdings unbegrün-
det.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften