Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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Dann drängte ihn um 1045 ein auswärtiger Freund namens Berengar,
der anscheinend den Lüttichern nahestand, er möge eine klare und
vollständige Bauanleitung für das Astrolab verfassen, weil die
Gebrauchsanweisung von ‘Gerbert’ gar zu verwickelt sei und das
Instrument nur zu bedienen, nicht herzustellen lehre.142 Zwar besaß die
Reichenauer Klosterbücherei die aus nordspanischen Bearbeitungen
kompilierte Konstruktionsbeschreibung, die den heute verlorenen
ersten Hauptteil des Lehrbuchs aus Fleury gebildet haben muß. Aber
auch ihr „verwirrter, dunkler und allenthalben verstümmelter“ Text
rief Hermanns Groll hervor und bestärkte seinen Entschluß, die
Literatur zum Astrolab auf der jetzt erreichten Stufe der Kommuni-
kation folgerichtiger, zielbewußter und verständlicher als vor fünfzig
Jahren zusammenzufassen.143
Soweit wie möglich zog er die Vorlage aus Fleury für seine neue
Bauanleitung ‘De mensura astrolabii’ heran, lieferte sich ihr aber
ebensowenig aus wie etwa einem veralteten Demonstrationsmodell aus
Lüttich. Er hatte ein neueres Astrolab zur Hand und verwertete
modernere Literatur, neben der Schrift aus der Gerbertschule das
Werk Ascelins; Augsburg, die Stadt von Hermanns heiligem Verwand-
ten Ulrich, war ja nicht weit. Der Poet Hermann komponierte dieses
Stück technischer Literatur so bündig wie seine Chronik, so mitreißend
wie seine Hymnen, auch stilistisch dem Vorgänger aus Fleury weit
überlegen.144
142 So der Schlußvermerk in Oxford, Bodleian Library, Codex Digby 174, Blatt 210
verso, hg. von Bubnov, Gerbert S. 113 (statt positus lies ponitur, statt
benevolentiam lies benivolentiam, statt imbecillitatem lies inbecillitatem). Zur
ungedruckten Fortsetzung des Eintrags unten Anm. 166. Durch ihn ist gesichert,
daß Hermanns Freund Berengar hieß, mitnichten aber, daß es Berengar von
Tours war, wie zuletzt Destombes, Astrolabe S. 29 annahm.
143 Hermann, De mensura astrolabii, Widmungsbrief S. 203 f. an den Freund B.
Hermanns Autorschaft steht fest seit Thorndike, History Bd. 1 S. 701 f.; Vyver,
Traductions S. 266-271. Zur Überlieferung Oesch, Berno S. 162-165; Borst,
Forschungsbericht S. 436 Anm. 132, S. 452 Anm. 167. Zu den Quellen
Kunitzsch, Sternnamen S. 37-39; Bergmann, Traktat S. 70-97. Ihre Ergebnisse
werden durch das Konstanzer Fragment neu beleuchtet: Das Lehrbuch von
Fleury bewirkte die Verwerfungen in Hermanns Sterntabelle, sowie die
Überlagerungen von De mensura astrolapsus, hg. von Millas, Assaig S. 293-295
und De mensura astrolabii, ebd. S. 297-302 in Hermanns c. 1-8 S. 204-211.
Siehe oben Anm. 69.
144 Daß Hermann auch Ascelins Anleitung (oben Anm. 134) heranzog, weist
Bergmann, Innovationen S. 99-105 nach. Gegen die weitergehende Folgerung
von Werner, Gerbert S. 105-112; Bergmann, Traktat S. 99 f., daß Ascelin in
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Dann drängte ihn um 1045 ein auswärtiger Freund namens Berengar,
der anscheinend den Lüttichern nahestand, er möge eine klare und
vollständige Bauanleitung für das Astrolab verfassen, weil die
Gebrauchsanweisung von ‘Gerbert’ gar zu verwickelt sei und das
Instrument nur zu bedienen, nicht herzustellen lehre.142 Zwar besaß die
Reichenauer Klosterbücherei die aus nordspanischen Bearbeitungen
kompilierte Konstruktionsbeschreibung, die den heute verlorenen
ersten Hauptteil des Lehrbuchs aus Fleury gebildet haben muß. Aber
auch ihr „verwirrter, dunkler und allenthalben verstümmelter“ Text
rief Hermanns Groll hervor und bestärkte seinen Entschluß, die
Literatur zum Astrolab auf der jetzt erreichten Stufe der Kommuni-
kation folgerichtiger, zielbewußter und verständlicher als vor fünfzig
Jahren zusammenzufassen.143
Soweit wie möglich zog er die Vorlage aus Fleury für seine neue
Bauanleitung ‘De mensura astrolabii’ heran, lieferte sich ihr aber
ebensowenig aus wie etwa einem veralteten Demonstrationsmodell aus
Lüttich. Er hatte ein neueres Astrolab zur Hand und verwertete
modernere Literatur, neben der Schrift aus der Gerbertschule das
Werk Ascelins; Augsburg, die Stadt von Hermanns heiligem Verwand-
ten Ulrich, war ja nicht weit. Der Poet Hermann komponierte dieses
Stück technischer Literatur so bündig wie seine Chronik, so mitreißend
wie seine Hymnen, auch stilistisch dem Vorgänger aus Fleury weit
überlegen.144
142 So der Schlußvermerk in Oxford, Bodleian Library, Codex Digby 174, Blatt 210
verso, hg. von Bubnov, Gerbert S. 113 (statt positus lies ponitur, statt
benevolentiam lies benivolentiam, statt imbecillitatem lies inbecillitatem). Zur
ungedruckten Fortsetzung des Eintrags unten Anm. 166. Durch ihn ist gesichert,
daß Hermanns Freund Berengar hieß, mitnichten aber, daß es Berengar von
Tours war, wie zuletzt Destombes, Astrolabe S. 29 annahm.
143 Hermann, De mensura astrolabii, Widmungsbrief S. 203 f. an den Freund B.
Hermanns Autorschaft steht fest seit Thorndike, History Bd. 1 S. 701 f.; Vyver,
Traductions S. 266-271. Zur Überlieferung Oesch, Berno S. 162-165; Borst,
Forschungsbericht S. 436 Anm. 132, S. 452 Anm. 167. Zu den Quellen
Kunitzsch, Sternnamen S. 37-39; Bergmann, Traktat S. 70-97. Ihre Ergebnisse
werden durch das Konstanzer Fragment neu beleuchtet: Das Lehrbuch von
Fleury bewirkte die Verwerfungen in Hermanns Sterntabelle, sowie die
Überlagerungen von De mensura astrolapsus, hg. von Millas, Assaig S. 293-295
und De mensura astrolabii, ebd. S. 297-302 in Hermanns c. 1-8 S. 204-211.
Siehe oben Anm. 69.
144 Daß Hermann auch Ascelins Anleitung (oben Anm. 134) heranzog, weist
Bergmann, Innovationen S. 99-105 nach. Gegen die weitergehende Folgerung
von Werner, Gerbert S. 105-112; Bergmann, Traktat S. 99 f., daß Ascelin in