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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0090
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Arno Borst

Je länger, desto weniger ließ er sich seine Eigenständigkeit durch
lokale Überlieferungen beschneiden; kongeniale Partner aus halb
Europa spornten ihn zu immer originelleren Leistungen an. Hermann
bearbeitete am Schluß der 1040er Jahre auch die Schrift aus der
Gerbertschule noch einmal, allerdings bloß in der Sache, nicht in der
Form. Denn seine Bauanleitung taugte ohne Gebrauchsanweisung
bloß halb so viel, und jetzt stimmte er beide Schriften sorgfältig
aufeinander ab.* * * 145
Mit der Kombination von Bauanleitung und Gebrauchsanweisung,
die Hermann der Lahme im Lehrbuch aus Fleury rudimentär vorfand,
beendete er jene geistliche Schultradition, die das Geheimwissen der
Zunft mündlich oder fragmentarisch weitergereicht hatte. Jedem, der
Lateinisches zu lesen und sich eine Abschrift zu beschaffen wußte,
erklärten Hermanns Schriften die neuen Geräte und Verfahren zur
astronomischen Zeitbestimmung so umfassend und eingängig, daß er
sie bei einiger Intelligenz und Geduld selbständig herstellen und
anwenden konnte. Nun erst vereinigten sich literarisch vermittelte
Theorie und manuell erworbene Praxis des Astrolabs in der lateini-
schen Bildung.
Am Ende ging Hermann auch noch über die Neubearbeitung
abgegriffener Texte hinaus und wagte sich an die Verbesserung
überkommener Instrumente. Zunächst sah er sich wohl die aus
spanischen Quellen stammende Beschreibung eines Sonnenquadran-
ten an, die dann in seine nachgelassenen Notizen gelangte. Ihr
Wortlaut und Satzbau trägt jedoch nicht sein Gepräge. Zu einer
Neufassung entschloß er sich nicht, denn ein auf den Äquator geeichter

Augsburg Hermanns Lehrer gewesen sei, argumentiert Borst, Forschungsbe-
richt S. 393 f., inzwischen auch Bergmann. Innovationen S. 99. Zum Vorliegen
eines Astrolabs oben Anm. 47; zum Lütticher Modell Anm. 126.
145 Hermann, De mensura astrolabii c. 9 S. 212 empfahl dem Leser, der nach den
utilitates des Astrolabs fragte, einen libellus astrolapsus. Daß er den Traktat ‘De
utilitatibus astrolabii’ meinte, ihn also schon kannte, ist seit Vyver, Traductions
S. 269 f. unbestritten. Seit Thorndike, History Bd. 1 S. 689 f.; Vyver,
Traductions S. 273-276 steht weiter fest, daß nicht Hermann ihn als Ganzes
verfaßte, wie die ältere Forschung glaubte (oben Anm. 6). Doch macht erst
Bergmann, Innovationen S. 163-168 wahrscheinlich, daß Hermann Kapitel 2,17
und 18 umformulierte, Kapitel 20 und 21 anhängte und den Traktat durch diese
21-Kapitel-Fassung mit seiner Schrift ‘De mensura astrolabii’ in Einklang
brachte.
 
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