Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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Fächer nicht eifriger als Abaelard und Wilhelm, um ihre Lehrbücher
weit weniger als seine Regensburger Gastgeber.159 Aber er ersann nach
1125 ein Gleichnis, das die Verflechtung der zwei Disziplinen im Sinn
Hermanns theoretisch betonte, allerdings ihre historische Entwicklung
antikisch verzerrte. Die Stadtgemeinde (czvzto) der Astronomie teile
sich in zwei Fachbereiche. Im einen lege Hyginus mit dem astrolabium
die Wege von Mond, Sonne und Sternen dar, im anderen erkläre Julius
Caesar mit dem computus die Jahre der Welt und die Reihe der
Herrscher. Durch beide Verfahren werde der Menschenseele der Weg
zur himmlischen Heimat gewiesen. So nahm Honorius Astralmythen
und Kalenderbräuche der heidnischen Römer, ihre Deutung der
Sternstunden und ihre Berechnung des Sonnenjahrs unter die Vorstu-
fen der Erlösung auf.160
Entschärft wurde die Konfrontation zwischen christlicher Frömmig-
keit und antiker Wissenschaft 1125 auch durch den in Paris lehrenden
Deutschen Hugo von St. Victor, der den Neuerungen Abaelards
entgegentrat und doch die alten Zusammenhänge nicht restaurierte.
Seine heilsgeschichtliche Theologie beschränkte den Zeitenvergleich
auf symbolische Entsprechungen im Großen, etwa zwischen den sechs
Weltaltern und den sechs Lebensaltern, und ließ sich zu kurzen Fristen
nicht mehr herab. In jungen Jahren hatte Hugo viele Winternächte als
horoscopus durchwacht, also wohl mit dem Astrolab die Stunden
gemessen; doch hatte er solche theoretischen Übungen damals als Spiel
betrieben und verurteilte sie jetzt, weil sie den Spekulationen der
Astrologie bedenklich nahekamen.161
159 Honorius Augustodunensis, Clavis physicae c. 201-202. hg. von Paolo Lucentini
(1974) S. 157-161 besprach vor 1115 astronomische Messungen ohne Erwäh-
nung des Astrolabs. In De luminaribus ecclesiae IV, 12, hg. von Migne PL Bd.
172 Sp. 231 ließ er nach 1130 unter Hermanns Werken die zum Astrolab weg.
Zum Gesamtwerk Hartmut Freytag, Honorius, in: Verfasserlexikon Bd. 4
(1983) Sp. 122-132. Zur Regensburger Tradition oben Anm. 136 und 151.
160 Honorius Augustodunensis, De animae exilio et patria c. 8, hg. von Migne PL
Bd. 172 Sp. 1245. Dazu Borst, Zahlenkampfspiel S. 178-180; Marie-Odile
Garrigues, L’oeuvre d’Honorius Augustodunensis: Inventaire critique II,
Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft 39
(1987) S. 123-228, hier S. 187-191. die zur Datierung nach 1130 neigt.
161 Hugo von St. Victor, Didascalicon de Studio legendi VI, 3, hg. von Charles H.
Buttimer (1939) S. 114 f. Jugendversuche; III, 2 S. 49 f. Astrologie. Dazu
Joachim Ehlers, Hugo von St. Viktor. Studien zum Geschichtsdenken und zur
Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts (1973) S. 128 f. Zur Zeitdeutung
ebd. S. 136-155; Borst, Computus S. 36 f. Zur Bewertung des Quadriviums
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Fächer nicht eifriger als Abaelard und Wilhelm, um ihre Lehrbücher
weit weniger als seine Regensburger Gastgeber.159 Aber er ersann nach
1125 ein Gleichnis, das die Verflechtung der zwei Disziplinen im Sinn
Hermanns theoretisch betonte, allerdings ihre historische Entwicklung
antikisch verzerrte. Die Stadtgemeinde (czvzto) der Astronomie teile
sich in zwei Fachbereiche. Im einen lege Hyginus mit dem astrolabium
die Wege von Mond, Sonne und Sternen dar, im anderen erkläre Julius
Caesar mit dem computus die Jahre der Welt und die Reihe der
Herrscher. Durch beide Verfahren werde der Menschenseele der Weg
zur himmlischen Heimat gewiesen. So nahm Honorius Astralmythen
und Kalenderbräuche der heidnischen Römer, ihre Deutung der
Sternstunden und ihre Berechnung des Sonnenjahrs unter die Vorstu-
fen der Erlösung auf.160
Entschärft wurde die Konfrontation zwischen christlicher Frömmig-
keit und antiker Wissenschaft 1125 auch durch den in Paris lehrenden
Deutschen Hugo von St. Victor, der den Neuerungen Abaelards
entgegentrat und doch die alten Zusammenhänge nicht restaurierte.
Seine heilsgeschichtliche Theologie beschränkte den Zeitenvergleich
auf symbolische Entsprechungen im Großen, etwa zwischen den sechs
Weltaltern und den sechs Lebensaltern, und ließ sich zu kurzen Fristen
nicht mehr herab. In jungen Jahren hatte Hugo viele Winternächte als
horoscopus durchwacht, also wohl mit dem Astrolab die Stunden
gemessen; doch hatte er solche theoretischen Übungen damals als Spiel
betrieben und verurteilte sie jetzt, weil sie den Spekulationen der
Astrologie bedenklich nahekamen.161
159 Honorius Augustodunensis, Clavis physicae c. 201-202. hg. von Paolo Lucentini
(1974) S. 157-161 besprach vor 1115 astronomische Messungen ohne Erwäh-
nung des Astrolabs. In De luminaribus ecclesiae IV, 12, hg. von Migne PL Bd.
172 Sp. 231 ließ er nach 1130 unter Hermanns Werken die zum Astrolab weg.
Zum Gesamtwerk Hartmut Freytag, Honorius, in: Verfasserlexikon Bd. 4
(1983) Sp. 122-132. Zur Regensburger Tradition oben Anm. 136 und 151.
160 Honorius Augustodunensis, De animae exilio et patria c. 8, hg. von Migne PL
Bd. 172 Sp. 1245. Dazu Borst, Zahlenkampfspiel S. 178-180; Marie-Odile
Garrigues, L’oeuvre d’Honorius Augustodunensis: Inventaire critique II,
Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft 39
(1987) S. 123-228, hier S. 187-191. die zur Datierung nach 1130 neigt.
161 Hugo von St. Victor, Didascalicon de Studio legendi VI, 3, hg. von Charles H.
Buttimer (1939) S. 114 f. Jugendversuche; III, 2 S. 49 f. Astrologie. Dazu
Joachim Ehlers, Hugo von St. Viktor. Studien zum Geschichtsdenken und zur
Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts (1973) S. 128 f. Zur Zeitdeutung
ebd. S. 136-155; Borst, Computus S. 36 f. Zur Bewertung des Quadriviums