Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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der Don Quijote mit Sancho Pansa eine angeblich verzauberte Barke
am Ebro bestieg. Der Bauer sah mit eigenen Augen, daß sie sich keine
fünf Schritte vom Ufer entfernten; doch der irrende Ritter schwärmte,
daß schon sieben- bis achthundert Meilen hinter ihnen lägen. „Wenn
ich ein astrolabio hier hätte, um die Polhöhe zu nehmen, würde ich Dir
sagen, wie weit wir schon gereist sind.“ Hätte er wirklich ein Astrolab
bei sich getragen, es wäre nicht mehr mit den vielen ptolemäischen
Linien und Kreisen versehen gewesen, von denen er schwadronierte,
durch die Lektüre alter Bücher verwirrt.189
Die Epoche des Astrolabs war schon vorbei, bevor Galilei im frühen
17. Jahrhundert das Zeitalter des Fernrohrs ausrief und die Astronomie
ganz aus der Dienstbarkeit für Theologie und Astrologie, Chronologie
und Geographie entließ.190
14. Horizontverluste im späten 20. Jahrhundert
Am europäischen Bildungshorizont ist das Astrolab während des
17. Jahrhunderts untergegangen. Wir haben keinen Anlaß, ihm
nachzutrauern. Nur bei seinem Aufstieg, in der Epoche von Lupitus
und Hermann, erweiterte es die Möglichkeiten menschlicher Selbstbe-
stimmung und Selbstbesinnung; es beengte sie bei seinem Abstieg, in
der Epoche von Kopernikus und Galilei. Gegen Schluß des zweiten
nachchristlichen Jahrtausends gelangt freilich auch diese neuzeitliche
Epoche ans Ende und macht uns mehr ihre Einbußen als ihre Gewinne
bewußt. In weniger ernüchterten Kulturen steht das Astrolab bis heute
in hohem Ansehen, wenngleich nicht mehr in täglichem Gebrauch.
Welchen Gesichtskreis es noch im Rückblick erschließt, bringt uns
heutigen Weltbürgern das Hauptwerk des lateinamerikanischen Dich-
ters Gabriel Garcia Märquez von 1967 bei.
189 Miguel de Cervantes Saavedra, El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha,
hg. von Vicente Gaos, Bd. 2 (1987) S. 429 f. Zu den späten Prunk- und
Kümmerformen des Astrolabs Michel, Traite S. 154 f.; Zinner, Instrumente S.
149-154; Bennett, Circle S. 33 f., 39 f.; überschätzend Turner, Museum S.
45-57.
190 Bei Margarida Archinard, Astrolabe (Musee d’histoire des Sciences de Geneve,
1983) S. 9 heißt es, daß Galilei ein besonders schönes Astrolab besessen habe;
einschränkend Silvio A. Bedini, The Makers of Galileo’s Scientific Instruments,
in: Atti del Symposium ‘Galileo nella storia e nella filosofia della scienza’ (1964)
S. 89-115, hier S. 90 f.; noch skeptischer Michel, Traite S. 169.
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der Don Quijote mit Sancho Pansa eine angeblich verzauberte Barke
am Ebro bestieg. Der Bauer sah mit eigenen Augen, daß sie sich keine
fünf Schritte vom Ufer entfernten; doch der irrende Ritter schwärmte,
daß schon sieben- bis achthundert Meilen hinter ihnen lägen. „Wenn
ich ein astrolabio hier hätte, um die Polhöhe zu nehmen, würde ich Dir
sagen, wie weit wir schon gereist sind.“ Hätte er wirklich ein Astrolab
bei sich getragen, es wäre nicht mehr mit den vielen ptolemäischen
Linien und Kreisen versehen gewesen, von denen er schwadronierte,
durch die Lektüre alter Bücher verwirrt.189
Die Epoche des Astrolabs war schon vorbei, bevor Galilei im frühen
17. Jahrhundert das Zeitalter des Fernrohrs ausrief und die Astronomie
ganz aus der Dienstbarkeit für Theologie und Astrologie, Chronologie
und Geographie entließ.190
14. Horizontverluste im späten 20. Jahrhundert
Am europäischen Bildungshorizont ist das Astrolab während des
17. Jahrhunderts untergegangen. Wir haben keinen Anlaß, ihm
nachzutrauern. Nur bei seinem Aufstieg, in der Epoche von Lupitus
und Hermann, erweiterte es die Möglichkeiten menschlicher Selbstbe-
stimmung und Selbstbesinnung; es beengte sie bei seinem Abstieg, in
der Epoche von Kopernikus und Galilei. Gegen Schluß des zweiten
nachchristlichen Jahrtausends gelangt freilich auch diese neuzeitliche
Epoche ans Ende und macht uns mehr ihre Einbußen als ihre Gewinne
bewußt. In weniger ernüchterten Kulturen steht das Astrolab bis heute
in hohem Ansehen, wenngleich nicht mehr in täglichem Gebrauch.
Welchen Gesichtskreis es noch im Rückblick erschließt, bringt uns
heutigen Weltbürgern das Hauptwerk des lateinamerikanischen Dich-
ters Gabriel Garcia Märquez von 1967 bei.
189 Miguel de Cervantes Saavedra, El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha,
hg. von Vicente Gaos, Bd. 2 (1987) S. 429 f. Zu den späten Prunk- und
Kümmerformen des Astrolabs Michel, Traite S. 154 f.; Zinner, Instrumente S.
149-154; Bennett, Circle S. 33 f., 39 f.; überschätzend Turner, Museum S.
45-57.
190 Bei Margarida Archinard, Astrolabe (Musee d’histoire des Sciences de Geneve,
1983) S. 9 heißt es, daß Galilei ein besonders schönes Astrolab besessen habe;
einschränkend Silvio A. Bedini, The Makers of Galileo’s Scientific Instruments,
in: Atti del Symposium ‘Galileo nella storia e nella filosofia della scienza’ (1964)
S. 89-115, hier S. 90 f.; noch skeptischer Michel, Traite S. 169.