Der Begriff der Würde im antiken Rom
15
cam voluntatis (Cic. Cat. 4,9). Dignitas ist an die Person gebunden und
doch zugleich von der res publica nicht zu trennen.
Der Begriff der Würde ist mit anderen römischen Wertbegriffen, die
das Ansehen der Person umschreiben, aufs engste verwandt: mit aucto-
ritas, der Autorität19, mit gratia, dem Anspruch auf Dank, den der
Klient dem Patron und das Volk dem Staatsmann schuldet (man pflegt
das Wort recht vage und ungenau mit,Einfluß4 zu übersetzen), mit fides,
der Treuverpflichtung des Mächtigen wie des Gefolgsmannes, und nicht
zuletzt mit maiestas. Diesem Begriff hat Hans Georg Gundel einen
erhellenden Aufsatz gewidmet: „Der Begriff maiestas im Denken der
Augusteischen Zeit“.20 Er ist für unser Problem wichtig, weil vieles, was
er namentlich aus Livius zitiert, den römischen Sinn für Würde, Größe
und Feierlichkeit eindrucksvoll illustriert. Man denke z.B. an die
berühmte Szene, wo Livius mit der ihm eigenen Neigung zu naiver The-
atralik berichtet, wie die in Rom nach der Eroberung durch die Gallier
zurückgebliebenen Senatoren in feierlicher Amtstracht im Vestibül
ihrer Häuser den Tod erwarten, was bei den Eindringlingen ehrfürchti-
ges Staunen hervorruft (5,41,8)21: haud secus quam venerabundi intue-
bantur in aedium vestibulis sedentes viros praeter ornatum habitumque
19 Wer dignitas hat, hat auch auctoritas. Es war also nicht völlig abwegig, wenn Mommsen
den Ausdruck άξιώματι in der griechischen Fassung des Monumentum Ancyranum
durch dignitate wiedergab: dignitate omnibus praestiti. In Wirklichkeit hieß es auctori-
tate, wie ein späterer Fund erwies (vgl. J. Franz, Das Monumentum Ancyranum,
Archäolog. Zeitung 1, 1843,23, Z. 21). Ebensowenig war es falsch, daß der griechische
Übersetzer sich mit άξιώματι behalf. Aber dignitas deckt sich nicht mit auctoritas. Es ist
der weitere Begriff. Die Rücksicht auf die dignitas bedeutet nicht nur, daß man bei
politischen Entscheidungen der Autorität des Dignitasträgers folgt, sondern auch, daß
man seinen Anspruch auf ein bestimmtes Amt anerkennt bzw. nichts unternimmt, was
seine politische Existenz beeinträchtigen könnte. Das erste spielt eine Rolle in dem
Prozeß gegen Plancius, den Laterensis anstrengte, weil Plancius an seiner Stelle zum
Aedil gewählt wurde, wie er behauptet infolge von Bestechung, während das Amt kraft
seiner dignitas ihm zugekommen wäre. Cicero tut bei seiner Verteidigung des Plancius
(Pro Plancio) alles, um die dignitas des Laterensis zu schonen, die er anerkennt, womit
er die Vorschrift befolgt, daß man die dignitas des Gegners nicht angreifen dürfe, weil
sonst Gefahr bestünde, die eigene dignitas zu verletzen. Vgl. Cic. de or. 2,221: parcebat
enim adversari dignitati, in quo ipse conservabat suam (sc. Crassus).
20 in: Politeia und Res publica, hrsg. von P. Steinmetz, Wiesbaden 1969 (Palingenesia 4),
279-300; vgl. E. Bund, Maiestas, Der Kleine Pauly 3, 1969, 897-899 und S. Döpp, Nec
omnia apud priores meliora. Autoren des frühen Principats über die eigene Zeit, Rhei-
nisches Museum 132, 1989, 73ff., bes. 84.
21 Plutarch (Camillus 21,4) läßt sie höchst eindrucksvoll gemeinsam auf dem Forum
sitzen.
15
cam voluntatis (Cic. Cat. 4,9). Dignitas ist an die Person gebunden und
doch zugleich von der res publica nicht zu trennen.
Der Begriff der Würde ist mit anderen römischen Wertbegriffen, die
das Ansehen der Person umschreiben, aufs engste verwandt: mit aucto-
ritas, der Autorität19, mit gratia, dem Anspruch auf Dank, den der
Klient dem Patron und das Volk dem Staatsmann schuldet (man pflegt
das Wort recht vage und ungenau mit,Einfluß4 zu übersetzen), mit fides,
der Treuverpflichtung des Mächtigen wie des Gefolgsmannes, und nicht
zuletzt mit maiestas. Diesem Begriff hat Hans Georg Gundel einen
erhellenden Aufsatz gewidmet: „Der Begriff maiestas im Denken der
Augusteischen Zeit“.20 Er ist für unser Problem wichtig, weil vieles, was
er namentlich aus Livius zitiert, den römischen Sinn für Würde, Größe
und Feierlichkeit eindrucksvoll illustriert. Man denke z.B. an die
berühmte Szene, wo Livius mit der ihm eigenen Neigung zu naiver The-
atralik berichtet, wie die in Rom nach der Eroberung durch die Gallier
zurückgebliebenen Senatoren in feierlicher Amtstracht im Vestibül
ihrer Häuser den Tod erwarten, was bei den Eindringlingen ehrfürchti-
ges Staunen hervorruft (5,41,8)21: haud secus quam venerabundi intue-
bantur in aedium vestibulis sedentes viros praeter ornatum habitumque
19 Wer dignitas hat, hat auch auctoritas. Es war also nicht völlig abwegig, wenn Mommsen
den Ausdruck άξιώματι in der griechischen Fassung des Monumentum Ancyranum
durch dignitate wiedergab: dignitate omnibus praestiti. In Wirklichkeit hieß es auctori-
tate, wie ein späterer Fund erwies (vgl. J. Franz, Das Monumentum Ancyranum,
Archäolog. Zeitung 1, 1843,23, Z. 21). Ebensowenig war es falsch, daß der griechische
Übersetzer sich mit άξιώματι behalf. Aber dignitas deckt sich nicht mit auctoritas. Es ist
der weitere Begriff. Die Rücksicht auf die dignitas bedeutet nicht nur, daß man bei
politischen Entscheidungen der Autorität des Dignitasträgers folgt, sondern auch, daß
man seinen Anspruch auf ein bestimmtes Amt anerkennt bzw. nichts unternimmt, was
seine politische Existenz beeinträchtigen könnte. Das erste spielt eine Rolle in dem
Prozeß gegen Plancius, den Laterensis anstrengte, weil Plancius an seiner Stelle zum
Aedil gewählt wurde, wie er behauptet infolge von Bestechung, während das Amt kraft
seiner dignitas ihm zugekommen wäre. Cicero tut bei seiner Verteidigung des Plancius
(Pro Plancio) alles, um die dignitas des Laterensis zu schonen, die er anerkennt, womit
er die Vorschrift befolgt, daß man die dignitas des Gegners nicht angreifen dürfe, weil
sonst Gefahr bestünde, die eigene dignitas zu verletzen. Vgl. Cic. de or. 2,221: parcebat
enim adversari dignitati, in quo ipse conservabat suam (sc. Crassus).
20 in: Politeia und Res publica, hrsg. von P. Steinmetz, Wiesbaden 1969 (Palingenesia 4),
279-300; vgl. E. Bund, Maiestas, Der Kleine Pauly 3, 1969, 897-899 und S. Döpp, Nec
omnia apud priores meliora. Autoren des frühen Principats über die eigene Zeit, Rhei-
nisches Museum 132, 1989, 73ff., bes. 84.
21 Plutarch (Camillus 21,4) läßt sie höchst eindrucksvoll gemeinsam auf dem Forum
sitzen.