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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0019
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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Stätte führt, berichtet Plutarch, daß das Volk dem Vorgang mit Entset-
zen und Staunen „wie einem althergebrachten Mysterium aristokrati-
scher Macht“ gefolgt sei.23
Alle diese Begriffe setzen die freiwillige Anerkennung der Gemein-
schaft voraus. Die Relation des Einzelnen zur Gemeinschaft ist immer
impliziert, Anspruch und Verpflichtung sind unlösbar miteinander ver-
knüpft.24 So wird die Dignität durch die Anerkennung der Gemeinschaft
immer neu festgelegt, wobei der Censor als der Bevollmächtigte des
Gemeinwesens die verfassungsmäßige Instanz ist, die über die Dignität
der Senatoren wacht (Cic. de domo 130: censor, penes quem maiores
nostri indicium senatus de dignitate esse voluerunt). Dabei wird voraus-
gesetzt, daß es dabei gerecht zugeht und daß die Anerkennung wirklich
geleistet wird.
Wieder fällt der Unterschied zu den Griechen auf. Die Belege, die
Gustav Strohm in seinem Buch ,Demos und Monarch4 (Stuttgart 1922)
für die selbstzerstörerische Eifersucht der Athener und die Kurzlebig-
keit des Ruhms ihrer Politiker vorlegt, sprechen für sich selbst. Der Bru-
der des Perserkönigs Xerxes, Achaemenes, sagt bei Herodot (7,236):
„Das ist die Art und die Freude der Hellenen, den Glücklichen beneiden
sie und den Mächtigen hassen sie.“ Als der Sieger von Marathon, Miltia-
des, an die athenische Volksversammlung das Ansuchen richtete, mit
einem Siegeskranz ausgezeichnet zu werden, erhob sich ein Athener
und sagte: „Wenn du allein gekämpft hast, dann verlange auch allein
den Kranz“, und Miltiades erhielt die Auszeichnung nicht (Plut. Kimon
8). In Rom hingegen fühlte sich das Volk durch den Ruhm, der großen
Römern zuteil wurde, selbst ausgezeichnet. In der Archiasrede führt
Cicero aus, daß das Lobgedicht, das der griechische Poet auf den römi-
schen Feldherrn Lucullus verfaßte, zugleich dem Ruhm des römischen
Volkes diene: qui libri non modo L. Lucullum, fortissimum et clarissi-
mum virum, verum etiam populi Romani nomen inlustrant. Populus

23 Plut. Cic. 22: ώσπερ ίεροΐς τισι πατρίοις αριστοκρατικής τίνος εξουσίας τελεΐσθαι
μετά φόβου καί θαμβούς δοκούντων. Ο. Lendle, Ciceros υπόμνημα περί τής ύπα-
τείας, Hermes 95, 1967, 90-109, bes. 105, möchte darin ein Zitat aus Ciceros De consu-
latu suo sehen. Man könnte aber auch denken, daß sich in der Formulierung das Stau-
nen des Griechen über die sakrale Feierlichkeit des römisch-aristokratischen Staatsze-
remoniells wiederspiegelt.
24 Noch Hobbes definiert in seinem Leviathan die dignitas folgendermaßen: „Unter
Würde versteht man zumeist den Wert, welcher auf dem Urteil nicht eines einzelnen
Menschen, sondern eines Staates beruht.“
 
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