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Viktor Pöschl
Patron betroffen wurde, anders, wenn es einen Fremden oder eine Per-
son niederen Standes betrifft: atrox iniuria aestimatur .. .vel ex persona,
veluti si magistratus iniuriam passus fuerit vel si senatori ab humili iniuria
facta sit, aut parenti patronoque fiat a liberis vel libertis: aliter enim sena-
toris et parentis patronique, aliter extranei et humilis personae iniuria
aestimatur. (Instit. des lustinian 4,4,9). Für die römische Anschauung
kennzeichnend ist ferner die Einteilung der Strafgründe, die sich bei
Aulus Gellius (Noctes Atticae 7,14,3) findet. Neben der Strafe als Sühne
und als Abschreckung gibt es auch die Strafe zur Wiederherstellung der
Würde dessen, dem Unrecht geschehen ist: Altera est, quam hi, qui
vocabula ista curiosius diviserunt, τιμωρία32 appellant. Ea causa animad-
vertendi est, cum dignitas auctoritasque eius, in quem est peccatum,
tuenda est, ne praetermissa animadversio contemptum eius pariat et hono-
rem levet; idcirco que id ei vocabulum a conservatione honoris factum
putant. Die Römer haben also die archaische griechische Vorstellung
bewahrt, wonach die Ehre durch ein Delikt gemindert wurde und durch
die τιμωρία wiederhergestellt werden mußte. Dieser archaische Begriff
wurde dann bei den Griechen auf jede Strafe übertragen.
Daß in Rom die erworbene dignitas prinzipell Anerkennung findet,
setzt ein hohes Maß von Solidarität, von Einigungsvermögen, von politi-
scher und sozialer Disziplin voraus.33 Diese Solidarität haben die Römer
in erstaunlichem Umfang aufgebracht. Es deutet dies auf das umfassen-
dere Phänomen, daß es den Römern gelungen ist, die Maßstäbe einer
älteren, aristokratisch geprägten Entwicklungsphase und die Funktions-
fähigkeit einer kollektiven Moral im politischen Kräftespiel über eine
bemerkenswert lange Zeitspanne lebendig zu halten.34 Das starke
Gewicht des persönlichen Elementes war also nicht erst eine Errungen-
schaft der vom Hellenismus beeinflußten späten Republik, sondern von
vornherein ein Grundelement und eine Hauptvoraussetzung der römi-
schen Größe. Eine solche aristokratisch geprägte, stark von der Person
her bestimmte Ordnung ist von der Gleichheit der Bürger in der atti-
schen Demokratie oder im modernen bürokratischen Staat ebensoweit
entfernt wie von der gesichtslosen Eintönigkeit und Abhängigkeit des
Staatsbürgers in der absolutistischen Monarchie oder im totalitären
Staat. Trotz der hierarchischen Stufung hat sie dabei nichts Starres. Sie
ist lebendig, dynamisch, flexibel. Wie der Zugang zur Nobilität grund-
32 τιμωρία zu τιμωρός (,Hüter der Ehre1) wie θύρα zu θυρωρός (,Türhüter1).
33 Auch hierbei waren die Klientelverhältnisse hilfreich: Christian Meier 1966,59.
34 V. Pöschl, Das Phänomen Rom (1957), in: Kleine Schriften II, Heidelberg 1983, 41-59.
Viktor Pöschl
Patron betroffen wurde, anders, wenn es einen Fremden oder eine Per-
son niederen Standes betrifft: atrox iniuria aestimatur .. .vel ex persona,
veluti si magistratus iniuriam passus fuerit vel si senatori ab humili iniuria
facta sit, aut parenti patronoque fiat a liberis vel libertis: aliter enim sena-
toris et parentis patronique, aliter extranei et humilis personae iniuria
aestimatur. (Instit. des lustinian 4,4,9). Für die römische Anschauung
kennzeichnend ist ferner die Einteilung der Strafgründe, die sich bei
Aulus Gellius (Noctes Atticae 7,14,3) findet. Neben der Strafe als Sühne
und als Abschreckung gibt es auch die Strafe zur Wiederherstellung der
Würde dessen, dem Unrecht geschehen ist: Altera est, quam hi, qui
vocabula ista curiosius diviserunt, τιμωρία32 appellant. Ea causa animad-
vertendi est, cum dignitas auctoritasque eius, in quem est peccatum,
tuenda est, ne praetermissa animadversio contemptum eius pariat et hono-
rem levet; idcirco que id ei vocabulum a conservatione honoris factum
putant. Die Römer haben also die archaische griechische Vorstellung
bewahrt, wonach die Ehre durch ein Delikt gemindert wurde und durch
die τιμωρία wiederhergestellt werden mußte. Dieser archaische Begriff
wurde dann bei den Griechen auf jede Strafe übertragen.
Daß in Rom die erworbene dignitas prinzipell Anerkennung findet,
setzt ein hohes Maß von Solidarität, von Einigungsvermögen, von politi-
scher und sozialer Disziplin voraus.33 Diese Solidarität haben die Römer
in erstaunlichem Umfang aufgebracht. Es deutet dies auf das umfassen-
dere Phänomen, daß es den Römern gelungen ist, die Maßstäbe einer
älteren, aristokratisch geprägten Entwicklungsphase und die Funktions-
fähigkeit einer kollektiven Moral im politischen Kräftespiel über eine
bemerkenswert lange Zeitspanne lebendig zu halten.34 Das starke
Gewicht des persönlichen Elementes war also nicht erst eine Errungen-
schaft der vom Hellenismus beeinflußten späten Republik, sondern von
vornherein ein Grundelement und eine Hauptvoraussetzung der römi-
schen Größe. Eine solche aristokratisch geprägte, stark von der Person
her bestimmte Ordnung ist von der Gleichheit der Bürger in der atti-
schen Demokratie oder im modernen bürokratischen Staat ebensoweit
entfernt wie von der gesichtslosen Eintönigkeit und Abhängigkeit des
Staatsbürgers in der absolutistischen Monarchie oder im totalitären
Staat. Trotz der hierarchischen Stufung hat sie dabei nichts Starres. Sie
ist lebendig, dynamisch, flexibel. Wie der Zugang zur Nobilität grund-
32 τιμωρία zu τιμωρός (,Hüter der Ehre1) wie θύρα zu θυρωρός (,Türhüter1).
33 Auch hierbei waren die Klientelverhältnisse hilfreich: Christian Meier 1966,59.
34 V. Pöschl, Das Phänomen Rom (1957), in: Kleine Schriften II, Heidelberg 1983, 41-59.