Metadaten

Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0023
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Begriff der Würde im antiken Rom

21

sätzlich dem Neuling, der sich bewährt, offensteht, was freilich selten
genugvorkam, so ist auch die Dignität gleichsam immer in Bewegung. Sie
begründet einen Machtanspruch, der keine unverrückbare Größe ist. Sie
kann verteidigt, vermehrt, vermindert, verloren, wieder hergestellt wer-
den (dignitatem defendere, augere, minuere,perdere, restituereusw.). Das
uns so befremdende Selbstlob und ,Sich selbst zur Schau stellen4 des
römischen Politikers, das wir nicht nur bei Cicero finden, sowie das
Bestreben nach poetischer Verherrlichung, das Cicero unter Anführung
historischer Beispiele in der Archiasrede so anschaulich schildert (25 ff.),
sind Ausdruck eines unablässigen Kampfes um die Erringung, Bewah-
rung und Mehrung der Dignität.3'' Durch Verherrlichung werden dignitas
und auctoritas immer neu lebendig gehalten und gesteigert.35 36 Von den
Römern der alten Zeit sagt Sallust: gloriae maxumum certamen inter ipsos
erat (Catii. 7,6). Während Sallust diesen Wettstreit als etwas Positives
ansieht, liefert der Historiker Florus ein gutes Beispiel, wie sich die Aus-
artung der Machtkämpfe in der späten Republik mit dem Begriff der
dignitas verbindet (2,13,11): Caesare dignitatem comparare, Crasso
augere, Pompeio retinere cupientibus omnibusque pariter potentiae cupi-
dis de invadenda re publica facile convenit.
Kann so der Anspruch der dignitas in selbstsüchtiger Weise miß-
braucht werden, so gibt es auch den Fall, daß sie einem, der sie verdient,
nicht zuerkannt wird, z.B. bei der Wahl, oder wenn einer, der einen
bestimmten status dignitatis erreicht hat, seiner politischen Wirksamkeit
beraubt wird. Cicero hat die hier auftauchende Problematik immer wie-
der behandelt. Nach ihm gibt es drei Formen der dignitas, drei Möglich-
keiten, in denen sie sich verwirklichen kann: man kann eines Amtes
würdig sein, man kann eines Amtes für würdig gelten und man kann
schließlich dieses Amt auch wirklich erlangen. In der Rede Pro Plancio
sagt er (50): equidem primum ut honore dignus essem, maxime semper
laboravi, secundum ut existimarer; tertium mihi fuit illud, quod plerisque
35 Es ist dies auch eine Folge davon, daß der Politiker unablässig um sein Prestige kämpfen
und sich von sich aus um ein Amt bewerben muß, während bei uns die Fiktion besteht,
daß der Bewerber von einer Gruppe ausgewählt wird und die Initiative nicht bei ihm
allein hegt.
36 Vgl. C. J. Burckhardt, Das Wort im politischen Geschehen. Zur Geschichte der poli-
tischen Leitworte, in: Wort und Wirklichkeit (Vortragsreihe), München 1960 (Gestalt
und Gedanke 6), 73: „Die Statik dieser hörbaren und sichtbaren Zeichen ist innerhalb
des römischen Staatsvokabulars, des Vokabulars der Pax Romana, trotz schwerster
politischer Erschütterungen im Inneren des Reiches eine unvergleichliche. Dignitas -
Ansehen und auctoritas - Autorität stehen in unlöslicher Verbindung; zur Dignität hat
immer wieder vergangener wie neu erworbener Ruhm - gloria - beizutragen ...“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften