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Viktor Pöschl
von dem Witz, der das „verschämte Lachen, das eines freien Mannes
würdig sei“, hervorrufe: iocatio est oratio, quae ex aliqua re risum puden-
tem et liberalem potest comparare. Ebenso erwähnt Horaz (epist. 1,7,27)
unter den Vorzügen, die ihn in seinen jungen Jahren auszeichneten, das
ridere decorum, eine Heiterkeit, die das rechte Maß zu wahren wußte.58
Würdeloses Verhalten spielt in der politischen Polemik Roms eine
große Rolle. Dem Antonius wirft Cicero vor, daß er in Gallien unrö-
misch kostümiert herumgelaufen sei (Phil. 2,76), daß er, noch dazu als
magister equitum, in coetu populi Romani erbrochen habe (Phil. 2,63)
und bei den Luperealien populo Romano inspectante nudus, unctus,
ebrius est contionatus (Phil. 3,12). - Die Verrinen und die Invektive
gegen Piso sind übervoll von solchen Bemerkungen.59 Auch dem Augu-
stus wurde offensichtlich Würdelosigkeit vorgeworfen, weil er sich in
einem Sumpf bei Philippi verstecken mußte (Plinius 7,147ff.).60 Das
Staats- wie das Sakralzeremoniell der Römer ist durch Feierlichkeit und
Würde gekennzeichnet. Der Priester des Jupiter läuft nicht, er schreitet:
non currit flamen Dialis, sagt der Antiquar Aulus Gellius (NA 10,15).61
58 Eine umfassende .Geschichte des Lachens in der Antike4 ist ein Desiderat. Sie könnte
ein Pendant zur .Geschichte des Lachens im Mittelalter' sein, die Jacques Le Goff vor-
bereitet. Über das Verhältnis von Würde und Lachen vgl. W. Schindler, Komik-Theo-
rien - komische Theorien. Eine Skizze über die Bemühungen um die Deutung des
Lachens von der Antike bis heute. Der altsprachliche Unterricht 29,5, 1986, 4-19, ins-
bes. Abschnitt?: „Das satirische Lachen", 10f.;M. Fuhrmann, Lizenzen und Tabus des
Lachens. Zur sozialen Grammatik der hellenistisch-römischen Komödie, ebd. 20-43.
59 Ein Beispiel für viele: „Da stand der Prätor des römischen Volkes am Gestade, in San-
dalen, mit einem Purpurumhang und einer bis an die Knöchel reichenden Tunica
bekleidet, gestützt auf ein Frauenzimmer.“ Übersetzung von Μ. Fuhrmann, aus:
Cicero, Sämtliche Reden, Band 4, Zürich und Stuttgart 1971, 281 f. stetit soleatus prae-
tor populi Romani cum pallio purpureo tunicaque talari muliercula nixus in litore (Verr.
5,86). Als römischer Prätor hätte er keine Sandalen und kein pallium, sondern die Halb-
stiefel des Senators (calcei) und die Toga tragen müssen.
60 Hierzu R. Till, Plinius über Augustus (nat. hist. 7, 147-150), Würzburger Jahrb. f. d.
Altertumswiss. 3, 1977, 127-137.
61 Vgl. Aristoteles über den Großgesinnten (μεγαλόψυχος): „Seine Bewegungen sind
angemessen, seine Stimmlage ist tief und seine Sprechweise ausgeglichen. Denn wer
nur weniges ganz ernst nimmt, gerät nicht leicht in Hast, und wer nichts als groß empfin-
det, kennt keine nervöse Spannung" (EN 4,8). Der aristotelische Großgesinnte hat
auch sonst manche Züge mit der römischen dignitas gemein. Etwas von Aristoteles ist
auch in Nietzsches Ideal des „Vornehmen“ und „Wohlgeratenen“ übergegangen. Vgl.
H. J. Mette, Friedrich Nietzsche und der „Großgesinnte" der aristotelischen Ethik,
Antike und Abendland 33, 1987, 90-97. Vgl. U. Knoche, Magnitudo animi. Untersu-
chungen zur Entstehung und Entwicklung eines römischen Wertgedankens, Leipzig
1935 (Philologus Suppi. 27,3).
Viktor Pöschl
von dem Witz, der das „verschämte Lachen, das eines freien Mannes
würdig sei“, hervorrufe: iocatio est oratio, quae ex aliqua re risum puden-
tem et liberalem potest comparare. Ebenso erwähnt Horaz (epist. 1,7,27)
unter den Vorzügen, die ihn in seinen jungen Jahren auszeichneten, das
ridere decorum, eine Heiterkeit, die das rechte Maß zu wahren wußte.58
Würdeloses Verhalten spielt in der politischen Polemik Roms eine
große Rolle. Dem Antonius wirft Cicero vor, daß er in Gallien unrö-
misch kostümiert herumgelaufen sei (Phil. 2,76), daß er, noch dazu als
magister equitum, in coetu populi Romani erbrochen habe (Phil. 2,63)
und bei den Luperealien populo Romano inspectante nudus, unctus,
ebrius est contionatus (Phil. 3,12). - Die Verrinen und die Invektive
gegen Piso sind übervoll von solchen Bemerkungen.59 Auch dem Augu-
stus wurde offensichtlich Würdelosigkeit vorgeworfen, weil er sich in
einem Sumpf bei Philippi verstecken mußte (Plinius 7,147ff.).60 Das
Staats- wie das Sakralzeremoniell der Römer ist durch Feierlichkeit und
Würde gekennzeichnet. Der Priester des Jupiter läuft nicht, er schreitet:
non currit flamen Dialis, sagt der Antiquar Aulus Gellius (NA 10,15).61
58 Eine umfassende .Geschichte des Lachens in der Antike4 ist ein Desiderat. Sie könnte
ein Pendant zur .Geschichte des Lachens im Mittelalter' sein, die Jacques Le Goff vor-
bereitet. Über das Verhältnis von Würde und Lachen vgl. W. Schindler, Komik-Theo-
rien - komische Theorien. Eine Skizze über die Bemühungen um die Deutung des
Lachens von der Antike bis heute. Der altsprachliche Unterricht 29,5, 1986, 4-19, ins-
bes. Abschnitt?: „Das satirische Lachen", 10f.;M. Fuhrmann, Lizenzen und Tabus des
Lachens. Zur sozialen Grammatik der hellenistisch-römischen Komödie, ebd. 20-43.
59 Ein Beispiel für viele: „Da stand der Prätor des römischen Volkes am Gestade, in San-
dalen, mit einem Purpurumhang und einer bis an die Knöchel reichenden Tunica
bekleidet, gestützt auf ein Frauenzimmer.“ Übersetzung von Μ. Fuhrmann, aus:
Cicero, Sämtliche Reden, Band 4, Zürich und Stuttgart 1971, 281 f. stetit soleatus prae-
tor populi Romani cum pallio purpureo tunicaque talari muliercula nixus in litore (Verr.
5,86). Als römischer Prätor hätte er keine Sandalen und kein pallium, sondern die Halb-
stiefel des Senators (calcei) und die Toga tragen müssen.
60 Hierzu R. Till, Plinius über Augustus (nat. hist. 7, 147-150), Würzburger Jahrb. f. d.
Altertumswiss. 3, 1977, 127-137.
61 Vgl. Aristoteles über den Großgesinnten (μεγαλόψυχος): „Seine Bewegungen sind
angemessen, seine Stimmlage ist tief und seine Sprechweise ausgeglichen. Denn wer
nur weniges ganz ernst nimmt, gerät nicht leicht in Hast, und wer nichts als groß empfin-
det, kennt keine nervöse Spannung" (EN 4,8). Der aristotelische Großgesinnte hat
auch sonst manche Züge mit der römischen dignitas gemein. Etwas von Aristoteles ist
auch in Nietzsches Ideal des „Vornehmen“ und „Wohlgeratenen“ übergegangen. Vgl.
H. J. Mette, Friedrich Nietzsche und der „Großgesinnte" der aristotelischen Ethik,
Antike und Abendland 33, 1987, 90-97. Vgl. U. Knoche, Magnitudo animi. Untersu-
chungen zur Entstehung und Entwicklung eines römischen Wertgedankens, Leipzig
1935 (Philologus Suppi. 27,3).