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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0033
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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Die Bilddarstellungen römischer Staatszeremonien illustrieren dies aufs
anschaulichste. Auch hier springt der Unterschied zum Griechischen in
die Augen. Der gemessenen Würde der Ara Pacis steht die gelöste
Anmut des Parthenonfrieses gegenüber. Im klassischen Griechenland
ist die Stilisierung der äußeren Erscheinung, des Schreitens, der
Gebärde, nicht in dem Maße entwickelt wie in Rom. Virgil nennt die
Römer gens togata, während die Griechen in Tracht und Auftreten
Schlichtheit und Maß anstreben. In diesem Zusammenhang schreibt R.
Harder62 über die Römer: „In Rom hat die Tracht unerhörte Bedeu-
tung. Noch zum Toten gehört seine Amtstracht: im vollen Ornat ihres
Ranges, so wohnen die toten Ahnen der Leichenfeier bei. Als Cincinna-
tus von den Boten des Senats gerade beim Ackern getroffen wird, muß
er erst von seiner Frau die Toga holen lassen und anlegen, ehe er die
Botschaft hören darf, die ihn in höchster Staatsnot zum Dictator beruft.
Mit Stolz nennen sich die Zugehörigen togati, Togaträger, zur Unter-
scheidung von Minderberechtigten und Fremden. Die schimpfliche Ent-
römerung der kriegsgefangenen Soldaten wird von Horaz in der fünften
Römerode ein ,Vergessen der Toga‘ genannt: das Kleid ist Symbol der
nationalen Ehre.“63 Als Augustus bei einer Volksversammlung auf dem
Forum Leute in schwarzgrauen Mänteln antraf, zitierte er Virgil: ,Das
also sind die Römer, die Herren der Welt, das Volk in der Toga‘: Roma-
nos rerum dominos gentemque togatam (Aen. 1,282). Darauf wies er die
Ädilen an, sie müßten verhindern, daß sich jemand auf dem Forum oder
in dessen Umgebung aufhalte, ohne seinen Mantel abgelegt zu haben
(Suet. Aug. 40,5).
Noch heute fällt der Unterschied zwischen römischer dignitas und
griechischer Nonchalance im Kult der römischen und der griechisch-
orthodoxen Kirche auf. Doch scheint es, daß auch in Griechenland die
Schlichtheit der Tracht erst das Ergebnis einer Entwicklung war. In der
mykenischen Zeit ist die Kostümierung des Herrschers und das Zeremo-
62 R. Harder, Eigenart der Griechen (1949), Neudruck Freiburg 1962, 18f.
63 Für die verschiedenen Gremien, die durch die französische Revolution ins Leben geru-
fen wurden, hat Grasset St. Sauveur (Costumes des Representants du Peuple, Paris
1795) repräsentative Kostüme entworfen. In der Einleitung seiner Veröffentlichung
bemerkt er, die Kostüme seien wesentlich, um der Magistratur den Charakter der
Größe und Majestät zu verleihen, der sie mit Respekt umkleidet (ce caractere de gran-
deur et de majeste qui l’environne de respect). Er beruft sich dabei, wie in der französi-
schen Revolution auch sonst üblich, auf das Vorbild der Antike: „Les grandes Republi-
ques ont aime cette representation de leurs magistrats. Quel luxe, quelle magnificence,
quelle dignite dans le costume des Grecs, dans celui des Romains!“ Der Unterschied
zwischen Griechen und Römern ist ihm entgangen.
 
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