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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0046
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Viktor Pöschl

und soziale Stellung, die Zugehörigkeit zu einer Nation, einer Religion
oder einer sonstwie definierten Gruppe. Dadurch wird die unveräußerli-
che Menschenwürde jeder Diskussion entzogen. Mit ihr besitzt der
Mensch bestimmte Rechte, die ihm keine irdische Gemeinschaft entzie-
hen kann. Durch die kanonisch gewordene Schöpfungsgeschichte und
die zahllosen Kommentare und Erläuterungen, die ihr bei den Kirchen-
vätern und später zuteil wurden, wurde der Begriff der Menschenwürde
fest in das allgemeine Bewußtsein eingebunden. Das christliche Ele-
ment ist seither aus der Geschichte der Menschenwürde nicht mehr weg-
zudenken.
Der früheste Beleg im christlichen Bereich findet sich bei Theophilos
von Antiochien (2. H. 2. Jh.; ad Autolycum 2,18), ebenfalls im Zusam-
menhang der Schöpfungsgeschichte: „Als erstes deutet (Gott) die
Würde des Menschen an (πρώτον μηνύει τό αξίωμα τού ανθρώ-
που) . . ., denn nur die Erschaffung des Menschen hält er für würdig, ein
Werk seiner eigenen Hände zu sein“. Häufig ist nicht von άξίωμα, son-
dern von τιμή die Rede - es ist die alte Konkurrenz von „Ehre“ und
„Würde“ -, so in dem anonym überlieferten Kontakion (wohl 5.
Jh.n.Chr.), das mit den Worten beginnt:95 „Als du den Menschen mit
deinen Händen bildetest, hast du, o Herr, ihn über die Schöpfung ehren-
voll erhoben, denn du hast ihn als Ebenbild deiner Ewigkeit geschaffen,
weshalb wir voller Bewunderung für deine Menschenliebe sprechen:
o welche Ehre ward dem Menschen zuteil.“
ώ πόσην άνθρωπος έσχε τιμήν.
Dieser letzte Vers wird im ganzen akrostichisch von Alpha bis Omega
angeordneten Gedicht am Ende jeder Strophe wiederholt. Ebenfalls im
Anschluß an den Bericht von der Schöpfung des Menschen heißt es in
der Schrift De opificio hominis des Gregor von Nyssa, die auf das Jahr
379 datiert wird (cap. IV, Migne P. G. 44, col. 136): „Die Seele zeigt ihr
von der gemeinen Niedrigkeit geschiedenes königliches und erhabenes
Wesen schon darin, daß sie unabhängig und selbständig ist, nach eige-
nen Entschlüssen selbstmächtig waltend. Wem sonst ist dies eigen wenn
nicht einem König? Die Ebenbildlichkeit mit der über alles herrschen-
den göttlichen Natur besteht in nichts anderem, als daß unsere Natur als
Königin geschaffen wurde. Die Verfertiger von Fürstenbildern ahmen
die Gestalt des Königs nach und deuten durch den Umwurf die königli-
che Würde an (τήν βασιλικήν αξίαν.) So ward auch die menschliche
95 Kontakion 1, in: Frühbyzantinische Kirchenpoesie I: Anonyme Hymnen des V.-VI.
Jh., ed. P. Maas, Bonn 1910 (Kleine Texte 52/53), 13.
 
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