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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0047
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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Natur, als sie zur Herrschaft über alles andere ausgestattet wurde, durch
ihre Ähnlichkeit mit dem König des Alls als lebendiges Bild aufgestellt,
das mit dem Urbild sowohl die Würde wie den Namen gemein hat. Zwar
trägt sie keinen Purpur und deutet nicht durch Szepter und Diadem ihre
Würde (τήν αξίαν) an - auch das Urbild hat das ja nicht -, doch statt des
Purpurs ist sie mit der Tugend bekleidet, was wohl von allen Gewändern
das königlichste ist.96 Statt des Szepters stützt sie sich auf die Seligkeiten
der Unsterblichkeit, statt des königlichen Diadems ist sie mit der Krone
der Gerechtigkeit geschmückt. So zeigt sie sich durchaus in der Würde
des Königtums (έν τώ τής βασιλείας άξιώματι) als getreue Nachahmung
der urbildlichen Schönheit.“ Aus der Tatsache, daß der Mensch ein
Ebenbild Gottes ist, leitet Gregor von Nyssa die Verpflichtung für den
Menschen ab, dem Vorbild möglichst ähnlich zu werden.97 Das bedeu-
tet, wie Gregor im darauf folgenden Kapitel ausführt, daß der Mensch in
seiner ,Vernunft1 und seiner ,Liebe‘ dem λόγος und der αγάπη Gottes
nachstreben soll.
Wie άξια bei Gregor von Nyssa die königliche Würde des Menschen
innerhalb der Ordnung der Welt bezeichnet, so verwendet Philon von
Alexandrien lange vor ihm, ebenfalls in der platonisch-stoischen Tradi-
tion stehend, αξίωμα für den Vorrang der Seele vor dem Leib: „Der
Schlechte hält die Dinge des Körpers für ehrwürdiger, der Kultivierte
(άστεϊος) aber die der Seele, die auch in Wahrheit zwar nicht dem Alter
nach , aber nach ihrer Macht und Würde ehrwürdiger sind, so wie es der
Herrscher in der Stadt ist (Legum Allegoriae 3,191: τά ψυχής . . . ού
χρόνφ άλλα δυνάμει καί άξιώματι πρεσβύτερα . . . ώς και αρχών έν
96 Das Gewand der Tugend erscheint in der großen Maecenasode des Horaz (3,29,55f.)
aus der gleichen hellenistischen Tradition stammend wie die Ausführungen des Gregor
von Nyssa: mea virtute me involvo. Vgl. auch Baruch 4,5: „Jerusalem, lege das Kleid
deiner Trauer und deiner Heimsuchung ab und bekleide dich mit der Zier und der Ehre
der Stadt, die dir von Gott in ewigem Ruhm gegeben ist. Lege dir den Mantel der
Gerechtigkeit um, den Gott dir gegeben hat und setze auf dein Haupt das Diadem
ewiger Ehre.“ Auch hier ist nicht auszuschließen, daß bei Gregor von Nyssa - wie so oft
-Jüdisch-Christliches mit Klassisch-Antikem verschmilzt. Vgl. G. B. Ladner, Anthro-
pology of Gregory of Nyssa, Dumbarton Oaks Papers 12, 1958, 61 ff.; ders., The Con-
cept of the Image in the Greek Fathers and the Byzantine Iconoclastic Controversy,
ebd. 7, 1953, 1-34.
97 Vgl. H. Dörrie, Gregors Theologie auf dem Hintergrund der neuplatonischen Meta-
physik, in: Gregor von Nyssa und die Philosophie. Zweites Internationales Kolloquium
über Gregor von Nyssa (Freckenhorst bei Münster 1972), hrsg. von H. Dörrie u.a.,
Leiden 1976, 21-42, bes. 32f. Zum Thema vgl. Hubert Merki, Όμοίωσις Οεώ. Von der
platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa, Freiburg/
Schweiz 1952; zu unserer Stelle 94ff.
 
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