Metadaten

Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0048
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
46

Viktor Pöschl

πόλει). Daß Philon auch den Rang des Menschen im Kosmos mit
άξίωμα bezeichnete, ist anscheinend nicht zu belegen. Auch Clemens
von Alexandrien läßt uns diesbezüglich im Stich. Er spricht nie von der
Würde, die dem Menschen als Menschen zukommt, doch bemerkt er
beispielsweise, daß der sexuell Enthaltsame sich bei Gott größere
Würde (αξία) erwerbe (Clem. Alex. Strom. 3,12).
Daß es bei den früheren griechischen Kirchenvätern außer bei Theo-
philos von Antiochien und Gregor von Nyssa weitere Belege für αξία
und άξίωμα als Äquivalente für den Begriff der Würde des Menschen
gegeben haben muß, davon bin ich überzeugt, so wahrscheinlich bei Ori-
genes (ca. 185-253/4).98 Es ist natürlich nicht sicher, welchen Ausdruck
er im einzelnen gebraucht hat, wenn die lateinische Übertragung des
Rufinus (gest. 410) von dignitas, maiestas oder Ähnlichem spricht, z. B.
in den Homiliae in Canticum Canticorum (in Auslegung der Stelle cant.
1,7: si ignoras te, o pulcherrima inter mulieres . ..): „Nach diesen Worten
droht ihr der Bräutigam und spricht zu ihr: ,Entweder du erkennst dich
selbst, da du die Braut des Königs bist und schön und von mir schön
gemacht worden bist, insofern ich eine Kirche geschaffen habe, die für
mich ruhmreich ist, eine Kirche, die keine Flecken und keine Falte hat,
oder du mußt wissen, daß du, falls du dich nicht erkennst und deine
Würde ignorierst (si te non cognoveris et tuam nescieris dignitatem), das
erdulden mußt, was dann folgt/“ Die Stelle ist im übrigen ein früher
christlicher Beleg für dignitas im Zusammenhang mit dem γνώθι σεαυ-
τόν, wie er dann später in der zitierten Boethiusstelle erscheint.
Aus dem Anfang des 5. Jahrhunders gibt es Belege für άξίωμα z.B.
bei Kyrill von Alexandrien (gest. 444), der davon spricht, daß Gott dem
Menschen die Würde seiner Bruderschaft schenkte und die der Liebe
würdige Schönheit seines Adels.99
Von den lateinischen Kirchenvätern möchte ich wenigstens Augustin
erwähnen. Der Vorrang der Seele vor dem Leib und des Menschen vor
der übrigen Schöpfung - der klassischen Antike ganz geläufige Vorstel-
lungen - werden auch bei Augustin wie bei so vielen lateinischen Auto-
ren gelegentlich mit dignitas wiedergegeben. „Wie Gott jedes Geschöpf
98 Der Artikel άξίωμα bei G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961-
1968, weist seit dem zweiten nachchristlichen Jh. fast alle Einzelbedeutungen nach, die
man auch für dignitas feststellen kann. Daß der Einfluß des Lateinischen mitspielt, ist
wahrscheinlich. In die Nähe der christlichen Menschenwürde kommen, so viel ich sehe,
allerdings nur Cyrillus Alexandrinus (adversus Nestorium 3) und Theodoretus Cyrrhen-
sis (Interpretationes in Pauli epistulas: Rom 8,15).
99 Angeführt im Lexikon von Lampe.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften