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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0049
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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an Würde übertrifft, so die Seele jede leibliche Schöpfung“: sicut enim
deus omnem creaturam, sic anima omnem corpoream creaturam naturae
dignitate praecellit (De Genesi ad litteram 7,19). „Welch große Würde
Gott dir verliehen hat, erhellt am meisten daraus, daß Gott, der allein
von Natur aus dein Herr ist, andere Güter geschaffen hat, über die auch
du Herr bist“: hinc maxime apparet, quantam tibi tribuerit dignitatem,
quod deus, qui solus tibi naturaliter dominatur, fecit alia bona, quibus tu
quoque dominareris (Contra epistulam fundamenti 37). Daß Adam von
Gott dadurch, daß er ihn nach seinem Bilde schuf, „Würde“ erhielt,
wird nicht ausdrücklich gesagt.100 Augustin erwähnt jedoch, daß Adam
durch die Sünde seine dignitas verlor (quaest. evangel. 2,33). Augustin
zitiert auch Psalm 48,13: „Der Mensch wurde in einen Ehrenrang einge-
setzt, aber er hat das nicht begriffen. Er hat sich unvernünftigen Zugtie-
ren gleichgestellt und ist ihnen ähnlich geworden“: homo in honore posi-
tus non intellexit, comparatus est iumentis insensatis et similis factus est eis
(conf. 13,23,33). Er versteht den Vers als Aussage über den moralischen
Verfall des Menschen (so Gen. litt. 7,9,13-10,14).
Auch der ästhetische Anspruch, der der römischen dignitas immerhin
inne wohnte, mußte nun vor dem moralischen weichen. Ein interessan-
tes Zeugnis bietet die Vita Sancti Martini des Sulpicius Severus.101 Da
wird eine Diskrepanz aufgezeigt zwischen der inneren Würde eines
Bischofs und seiner wenig würdigen äußeren Erscheinung: „Es war der
allgemeine Wille, der gleiche Wunsch und die gleiche Meinung: Martin
sei des Bischofsamtes äußerst würdig; wenige jedoch und einige von den
Bischöfen, die zur Einsetzung des Prälaten einberufen waren, wider-
setzten sich in unfrommer Weise, indem sie behaupteten, als Person sei
er verächtlich; unwürdig des Bischofsamtes sei ein Mensch, der erbärm-
lich aussehe, schmutzige Kleider trage und eine häßliche Frisur.“ In sei-
ner Amtsführung aber hat er „die Würde des Bischofs erfüllt, ohne
jedoch den Beruf und die Tugend des Mönches aufzugeben.“102
100 In den ausführlichsten Behandlungen von Genesis 1,26 (De Genesi contra Manichaeos
1,17,27-18,29; De Genesi ad litteram inperfectus liber 16; De Genesi ad litteram
3,19f.) ist weder von dignitas noch von honor die Rede.
101 Sulpice Severe, Vie de Saint Martin, ed. J. Fontaine, Tome 1. Sources Chretiennes 133,
Paris 1967.
102 9,3ff.: Una omnium voluntas, eadem vota eademque sententia: Martinum episcopatus
esse dignissimum; felicem fore tali ecclesiam sacerdote. Pauci tamen et nonnulli ex epis-
copis qui ad constituendum antistitem fuerant evocati, impie repugnabant, dicentes scili-
cet contemptibilem esse personam, indignum esse episcopatu hominem vultu despicabi-
lem, veste sordidum, crine deformem . . . lam vero, sumpto episcopatu qualem se quan-
tumque praestiterit, non est nostrae facultatis evolvere. Idem enim constantissime perse-
 
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