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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0050
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Viktor Pöschl

Die von Gott dem Menschen verliehene Würde wurde, wie beispiels-
weise Augustin an der oben erwähnten Stelle bemerkte, durch Adams
Sündenfall verloren und die Menschwerdung Christi wieder hergestellt.
Der Gedanke von dem Verlust und der Wiederherstellung der Men-
schenwürde begleitet die ganze Christenheit. So hieß es bis zum Zweiten
Vatikanischen Konzil im Opfergebet der heiligen Messe: Deus qui
humanae substantiae dignitatem mirabiliter condidisti et mirabilius refor-
masti: „Gott, der Du die Würde der menschlichen Substanz in wunder-
barer Weise begründet und noch wunderbarer erneuert hast. . ,“103 Das
Gebet der Messe ging auf ein altes Weihnachtsgebet zurück, das sich in
verschiedenen Sakramentarien findet, so in der ältesten Gebetssamm-
lung der Westkirche, dem Sacramentarium Leonianum, das im 18. Jh. so
genannt wurde, weil man glaubte, es sei von Papst Leo d. Gr.(440-461)
verfaßt worden (ed. Mohlberg 1956, 157, Nr. 1239). Lietzmann datierte
es auf Grund äußerer Indizien in die erste Hälfte des 6. Jh.104 Das
schließt nicht aus, daß es ältere Gebete enthält; ich halte es für wahr-
scheinlich, daß das Gebet der Messe wirklich auf Leo zurückgeht, denn
bei ihm finden wir immer wieder den Begriff der dignitas, und zwar
gerade im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest, das die Mensch-
werdung Christi feiert. In seinen Predigten, insbesondere den Weih-
nachtspredigten, bietet Leo die frühesten christlichen Belege von digni-
tas im Sinne von Menschenwürde auf der lateinischen Seite, so Sermo
27, In nativitate Domini VII, cap. VI (PL 54,220): Expergiscere, o
homo, et dignitatem tuae cognosce naturae. Recordare te factum ad ima-
ginem Dei, quae, etsi in Adam corrupta, in Christo tamen est reformata
und Sermo 25, In nativitate Domini V, cap. V (PL 54,212): Ille (Adam)
cupidus honoris angelici, naturae suae perdidit dignitatem; hic (Christus)
infirmitatis nostrae suscipiens conditionem, propter quos ad inferna de-
verabatqui prius fuerat. Eadem in corde eius humilitas, eadem in vestitu eius vilitas erat;
atque ita, plenus auctoritatis et gratiae, inplebat episcopi dignitatem, ut non tamen propo-
situm monachi virtutemque desereret. . .
103 Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entfällt dieser Passus. In
der Hauptoration der Weihnachtsmesse ist er jedoch enthalten (J. A. Jungmann, Mis-
sarum sollemnia II, Wien 1948, 74f.).
104 H. Lietzmann, Petrus und Paulus in Rom. Liturgische und archäologische Studien, 2.
neubearb. Aufl., Berlin und Leipzig 1927 (Arbeiten zur Kirchengeschichte). Das wich-
tigste Indiz ist eine Anspielung auf Befreiung von Feinden in der Osterzeit (p. 73 Fel-
toe): qui nos ab infestis hostibus liberatos Paschale Sacramentum secura (oder placida)
tribuisti mente suscipere. Danach müßte die Stadt kurz vor Ostern vom Feind befreit
worden sein. Der einzige Fall, der hierfür in Frage kommt, ist der Abzug des Witiges im
März 538, am 4. April war Ostern und die Stadt befreit.
 
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