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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0056
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Viktor Pöschl

.. . „Ich höre, Sire, wie klein,
wie niedrig Sie von Menschenwürde denken . ..
mir deucht, ich weiß, was Sie dazu berechtigt:
Die Menschen zwangen Sie dazu: die haben
freiwillig ihres Adels sich begeben,
freiwillig sich auf diese niedre Stufe
herabgestellt...
. . . Stellen Sie der Menschheit
verlorenen Adel wieder her. Der Bürger
sei wiederum, was er zuvor gewesen,
der Krone Zweck, ihn binde keine Pflicht,
als seiner Brüder gleich ehrwürdge Rechte.“
Hier wird zum ersten Mal formuliert, daß es die Pflicht staatlicher
Gewalt ist, die Menschenwürde zu schützen. Sie wird so zu einem poli-
tischen Postulat und gewinnt eine neue Kraft, die sie seitdem nicht mehr
verloren hat. Kants dignitas interna und die christliche Menschenwürde
kommen durch den Kampf um die Menschenrechte, der zur Französi-
schen Revolution von 1789 führte, zu neuer Geltung. Die Menschen-
würde wird zum Fundament der Menschenrechte, die eine ältere
Geschichte haben. „Nur in politischer Freiheit“, so verkündet Schiller,
„kann der Mensch zum Gefühl seiner Würde erwachen.“ Freiheit ist
eine Forderung der Menschenwürde. „Es ist des Menschen nichts so
unwürdig, als Gewalt zu erleiden, denn Gewalt hebt ihn auf“, sagt Schil-
ler an anderem Ort.119 Sehr bald aber mußte er einsehen, daß der Appell
an die Mächtigen, in ihren Staaten Gedankenfreiheit und Menschen-
würde zu verwirklichen, vergeblich war. Nur die innere Freiheit, die
innere Würde, läßt sich erreichen, und hier schließt Schiller wieder an
Kant an. Der Begriff der Würde wird bei ihm geradezu zu einem Leit-
wort. Nun ist für ihn vor allem die Kunst der Bereich, wo Freiheit und
Würde sich entfalten können: „Die Menschheit hat ihre Würde verlo-
ren, aber die Kunst hat sie gerettet und aufbewahrt... Die Wahrheit
lebt in der Täuschung fort, und aus dem Nachbilde wird das Urbild wie-
der hergestellt werden“.120 Im Gedicht Die Künstler ruft Schiller den
Dichtern zu:
119 In der Selbstbestimmung des Menschen sah er die Zentralidee der Kantischen Philoso-
phie. So schrieb er am 18. Februar 1793 an Körner: „Es ist gewiß von keinem sterbli-
chen Menschen ein größeres Wort noch gesprochen worden als dieses Kantische:
,Bestimme Dich aus Dir selber/“
120 Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen, 9. Brief.
 
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