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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0016
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Hermann Berger

prägtes europäisches Aussehen, das an das unserer Alpenbewohner
erinnert, durch Reinlichkeit, eine wache Intelligenz und eine unge-
wöhnliche Tatkraft, die sie befähigt hat, in einer wilden, immer wieder
von Naturkatastrophen bedrohten Gebirgslandschaft durch ein ausge-
klügeltes Bewässerungssystem und geschickte Ausnutzung der spärli-
chen natürlichen Quellen viele Jahrhunderte hindurch nicht nur zu über-
leben, sondern sich auch eine beherrschende Rolle in der näheren und
weiteren Umgebung zu verschaffen. Berühmt geworden ist der Stamm
auch durch Berichte über seine außergewöhnliche Gesundheit, die, mö-
gen sie auch übertrieben sein, doch in ihrer Ausdauer als Träger bei
Hochgebirgsexpeditionen ihre Bestätigung finden. Die Hunzas beken-
nen sich seit Jahrhunderten zur ismailischen Richtung des Islam; dane-
ben hat sich aber ein reich ausgebildeter Glaube an Naturgeister und
eine besondere Art des Schamanismus bis heute erhalten. Merkwürdig
ist der tiefgreifende Unterschied zu den Stammesbrüdern jenseits des
Hunza-Flusses, den am südlichen Ufer lebenden Bewohnern von Nager.
Sie sprechen fast dieselbe Sprache, haben dieselben Gebräuche und so-
zialen Einrichtungen, unterscheiden sich aber in ihrem Charakter und
auch in ihrem Verhalten gegenüber Fremden von den Hunzas so deut-
lich, daß dadurch immer wieder das Erstaunen von Reisenden erregt
wurde. Ein dritter, etwas stärker abweichender Dialekt wird, durch ein
breites Gebiet indoarischer Sprachen von Hunza und Nager getrennt,
etwa 100 km nordwestlich von Gilgit im Tal von Yasin gesprochen2;
wahrscheinlich ist er durch eine Abwanderung aus Hunzu-Nager ent-
standen, die kaum mehr als ein paar Jahrhunderte zurückliegen kann.
Geschichte und Herkunft der Burusho liegen im Dunkeln. Sie besit-
zen selbst keine geschriebene Literatur und keine mündlichen Überlie-
ferungen darüber, auch konnte eine Verwandtschaft ihrer Sprache mit
irgendeiner anderen bisher nicht nachgewiesen werden; die strukturelle
Ähnlichkeit mit dem Baskischen und den Kaukasussprachen ist auffal-
lend, aber es fehlt an überzeugenden Wortgleichungen selbst im Bereich
der Körperteile, Verwandtschaftsnamen und niederen Zahlwörter. Die
ersten brauchbaren Nachrichten über die Burusho und mit ihnen auch
die ersten Notizen über ihre merkwürdige Sprache setzen erst um die
Mitte des frühen 19. Jahrhunderts ein.3 Um diese Zeit erlebte der
Stamm, der lange Zeit nur auf drei Urdörfer beschränkt geblieben war,
2 Vgl. H. Berger, Das Yasin-Burushaski (Werchikwar). Grammatik, Texte, Wörterbuch.
1974.
3 1854 mit Cunningham, s. A. 4.
 
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