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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0018
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Hermann Berger

Grammatik, ein Wörterbuch und zahlreiche Texte mit Übersetzungen
veröffentlichte.6 Lorimers Leistung - er war Kolonialbeamter ohne lin-
guistische Vorbildung - war bewundernswert, aber sein Werk gibt doch
immer noch ein sehr unvollkommenes Bild von der Sprache, weitgehend
auch deswegen, weil viele grammatische Unterschiede durch feine laut-
liche Unterschiede bezeichnet werden, die Lorimer nicht heraushören
konnte. Ich entschloß mich daher zu einer eigenen Feldarbeit und
konnte in fünf Aufenthalten wenn auch nicht die letzten Einzelheiten
klären, aber doch so viel neues Material sammeln, daß die Beschreibung
von einem vollständigen Bild nicht mehr allzu weit entfernt zu sein
scheint.7 Dazu war es auch höchste Zeit, denn unter dem Einfluß der
bereits angedeuteten politischen und sozioökonomischen Veränderun-
gen ist die Sprache im raschen Verfall begriffen. Eine Flut von Wörtern
aus der Staatssprache Urdu und dem Englischen ergießt sich in sie; der
mittleren Generation sind bereits große Teile des alten Wortschatzes
entglitten, und unter den jungen Sprechern macht sich schon im Ge-
brauch der komplizierten Morphologie und Syntax eine wachsende
Unsicherheit bemerkbar, die in dem vereinzelten Gebrauch der Frage-
pronomina zur Bildung von Relativsätzen anstelle der alten Partizipial-
konstruktionen einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
Einige Besonderheiten im Bau dieser Sprache sollen im folgenden
dargestellt werden. Sicherlich kann es sich dabei nicht darum handeln,
daß das Burushaski - wie manche zu glauben scheinen - in seiner inne-
ren Gesetzmäßigkeit davon abweicht, was die moderne Sprachwissen-
schaft als einen allen Sprachen der Welt zugrundeliegenden Rahmen in
Lautlehre, Morphologie und Syntax erkannt hat. Vielmehr gibt es in
dieser Sprache kaum einen Einzelzug, der nicht so oder ähnlich irgend-
woanders wieder aufzufinden ist. Aber so wenig die Eigenart eines Men-
schen dadurch „erklärt“ oder als unerheblich abgetan werden kann,
indem man einzelne Züge seines Charakters auch bei anderen wieder-
findet, so zeigt sich auch der eigentliche Genius dieser Sprache nicht an
dem Gebrauch bestimmter Kategorien, die bei allem Reichtum letztlich
begrenzt sind und bei Heranziehung weiterer Sprachen sich immer mehr
zu wiederholen beginnen, sondern in der Fähigkeit, sie in einer höheren
Synthese zu einem einmaligen Ganzen zu vereinigen.
6 Lorimer, D.L.R., The Burushaski Language
Voi. I, Introduction and Grammar, 1935
Vol. II, Texts and Translations, 1935
Vol. III, Vocabularies and Index, 1938
7 Eine Grammatik mit Texten, Übersetzung und Wörterbuch ist in Vorbereitung.
 
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