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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0022
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Hermann Berger

u.a. bekannt und bilden dort einen so fest umrissenen Typus, daß sie
immer wieder zu der Annahme einer gegenseitigen genealogischen Ver-
wandtschaft verleitet haben. Das Besondere des Burushaski besteht
darin, daß der ursächliche Zusammenhang mit einem stark expiratori-
schen Akzent noch deutlich zu erkennen ist.
Was aber die beschriebene Tendenz noch weiter steigert und die Spra-
che im Typus vom Baskischen usw. entfernt, ist die Einbeziehung von
Formen, die noch mehr als die agglutinierende Wortbildung mit einem
stark raffenden Akzent in Widerspruch steht. Das Burushaski hat sich in
neuerer Zeit durch die Verbindung von Partizipien mit Hilfsverben ein
Tempus-Aspekt-System aufgebaut, das in allen wesentlichen Zügen
eine Entsprechung in den modernen nordindischen Sprachen, insbeson-
dere dem Hindi hat und in ähnlicher Form im Westen vor allem im Eng-
lischen vorliegt. Gerade mit den nordindischen Verbalsystemen, die
sich erst in den letzten 1000 Jahren herausgebildet haben, herrscht eine
so weitgehende Übereinstimmung, daß sich der Gedanke einer Be-
einflussung von daher geradezu aufdrängt, aber die vollkommene
geographische Isolation von Hunza in älterer Zeit macht dies nicht
wahrscheinlich; es muß sich also um eine jener merkwürdigen Parallel-
entwicklungen handeln, wie sie in der Sprachgeschichte immer wieder
auftreten. Gleich wie die periphrastischen Verbalformen im Bur. zu er-
klären sind, sie sind eine Neuerung, die zu der älteren, vorwiegend präfi-
gierenden Bildungsweise in einem deutlichen Gegensatz steht, sie aber
nicht verdrängt hat, so daß man etwas überspitzt sagen könnte, eine
Burushaski-Verbalform sei vor dem Stamm auf kaukasische, nach dem
Stamm auf neuindische Weise gebildet.
Freilich konnten sich infolge des starken Wortakzents die periphrasti-
schen Bildungen nicht jene Durchsichtigkeit bewahren, die die Stärke
der nordindischen Sprachen und des Englischen ausmacht. Es kann vor-
kommen, daß eine periphrastische Form für „er macht es“, die früher
einmal *e-ti-c-um bä-i, wörtlich „er ist es machend“, gelautet haben
muß, zu ecöi oder ecäi zusammengezogen wird, wobei der Stamm -t-
oder -ti- und die Partizipialendung -um spurlos verschwunden sind und
die Kopula bäi „er ist“ ihr stammhaftes b- verloren hat, der Doppelak-
zent aber noch an die alte Zweiwortigkeit erinnert. Daß die Kontraktio-
nen sich in den einzelnen Dialekten in verschiedener Form und in
verschiedenem Ausmaß vollzogen haben, hält das Bewußtsein des idio-
matisch-analytischen Ursprungs rege, trägt aber nicht gerade zur Durch-
sichtigkeit des Systems bei. Bezeichnend ist auch, daß innerhalb eines
Dialekts in Teilen des Paradigmas kontrahierte und nicht-kontrahierte
 
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