Das Burushaski
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Formen unterschiedslos nebeneinander gebraucht werden; der Sprach-
gebrauch hat sich im einzelnen noch nicht zwischen den einander wider-
streitenden Tendenzen der analytischen Durchsichtigkeit und der lautli-
chen Raffung entscheiden können. Das hat andererseits die Sprache
auch nicht daran gehindert, von demselben Perfektpartizip auf -um, von
dem schon das Perfekt und Plusquamperfekt mit dem Hilfsverbum
„sein“ gebildet worden war, mit demselben Hilfsverbum eine neue peri-
phrastische Bildung einzugehen, die (vorläufig) unkontrahiert bleibt,
d. h. nachdem älteres etum bäi „er hat es gemacht“ zu etäi oder etöi ver-
kürzt war, war ein zweites etum bäi, diesmal aber in entschiedener Pas-
sivbedeutung „er wurde gemacht“, möglich.
Markante Belege für eine Synthese der Art, wie sie sich schon in dem
Verhältnis von der Lautgestalt zur Form gezeigt hat, finden sich auch in
den beiden Hauptteilen der Grammatik, Nomen und Verbum. Wenn
wir uns zunächst dem Nomen zuwenden, so ist die Einteilung in vier
Klassen, die ich mit dem schon erwähnten ersten systematischen Auf-
zeichner der Sprache, D. L. R. Lorimer, als hm, hf, x und y bezeichne, h
heißt „human“, m „masculine“ und f „feminine“, und tatsächlich finden
sich in der hm-Klasse alle Wörter für Menschen männlichen Ge-
schlechts, in der hf-Klasse alle Wörter für Frauen. Die x-Klasse und die
y-Klasse aber, die folgerichtig alle nicht-menschlichen Lebewesen und
toten Gegenstände und Stoffe umfassen müssen, tragen ihren Namen
zurecht, denn die Gesichtspunkte, nach denen diese auf die beiden Klas-
sen verteilt werden, sind im einzelnen weitgehend dunkel. Als Grund-
tendenz läßt sich aber Folgendes erkennen: alle Tiere gehören zur x-
Klasse, sowie Elementargeister, sofern sie nicht weiblich gedacht sind,
doch kann der Hirbilas, ein polyphemartiger Riese mit nur einem Auge
auf der Stirn, auch als hm behandelt werden. Im Bereich des Leblosen
sind alle wohlabgesonderten Einzelstücke ebenfalls x, wie Eier,
Früchte, Klumpen, Stöcke, Münzen, Brotfladen usw., während flüs-
sige, breiige, homogene oder als homogen empfundene Massen wie
Wasser, Schnee, Eisen, Feuer, Wolle, Mist usw. zur y-Klasse gehören,
dazu alle Abstrakta. Es liegt auf der Hand, wie sehr diese Einteilung der
Auffassung unterworfen ist, und in der Tat schwankt die Zuordnung
öfters sogar innerhalb eines Dialekts. Sehr aufschlußreich sind Wörter,
die mit einem geringeren Bedeutungsunterschied beiden Klassen ange-
hören. So heißt bayü in der x-Klasse „Salz im Brocken, Steinsalz“ dage-
gen als y „Salz in Pulverform“, gasil ist x „Stecken“, y „Brennholz“, u. a.
Fruchtbäume würden wir wohl eher als individuell-abgesonderte Wesen
empfinden, aber der Burushaski-Sprecher faßt sie offenbar als Kollek-
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Formen unterschiedslos nebeneinander gebraucht werden; der Sprach-
gebrauch hat sich im einzelnen noch nicht zwischen den einander wider-
streitenden Tendenzen der analytischen Durchsichtigkeit und der lautli-
chen Raffung entscheiden können. Das hat andererseits die Sprache
auch nicht daran gehindert, von demselben Perfektpartizip auf -um, von
dem schon das Perfekt und Plusquamperfekt mit dem Hilfsverbum
„sein“ gebildet worden war, mit demselben Hilfsverbum eine neue peri-
phrastische Bildung einzugehen, die (vorläufig) unkontrahiert bleibt,
d. h. nachdem älteres etum bäi „er hat es gemacht“ zu etäi oder etöi ver-
kürzt war, war ein zweites etum bäi, diesmal aber in entschiedener Pas-
sivbedeutung „er wurde gemacht“, möglich.
Markante Belege für eine Synthese der Art, wie sie sich schon in dem
Verhältnis von der Lautgestalt zur Form gezeigt hat, finden sich auch in
den beiden Hauptteilen der Grammatik, Nomen und Verbum. Wenn
wir uns zunächst dem Nomen zuwenden, so ist die Einteilung in vier
Klassen, die ich mit dem schon erwähnten ersten systematischen Auf-
zeichner der Sprache, D. L. R. Lorimer, als hm, hf, x und y bezeichne, h
heißt „human“, m „masculine“ und f „feminine“, und tatsächlich finden
sich in der hm-Klasse alle Wörter für Menschen männlichen Ge-
schlechts, in der hf-Klasse alle Wörter für Frauen. Die x-Klasse und die
y-Klasse aber, die folgerichtig alle nicht-menschlichen Lebewesen und
toten Gegenstände und Stoffe umfassen müssen, tragen ihren Namen
zurecht, denn die Gesichtspunkte, nach denen diese auf die beiden Klas-
sen verteilt werden, sind im einzelnen weitgehend dunkel. Als Grund-
tendenz läßt sich aber Folgendes erkennen: alle Tiere gehören zur x-
Klasse, sowie Elementargeister, sofern sie nicht weiblich gedacht sind,
doch kann der Hirbilas, ein polyphemartiger Riese mit nur einem Auge
auf der Stirn, auch als hm behandelt werden. Im Bereich des Leblosen
sind alle wohlabgesonderten Einzelstücke ebenfalls x, wie Eier,
Früchte, Klumpen, Stöcke, Münzen, Brotfladen usw., während flüs-
sige, breiige, homogene oder als homogen empfundene Massen wie
Wasser, Schnee, Eisen, Feuer, Wolle, Mist usw. zur y-Klasse gehören,
dazu alle Abstrakta. Es liegt auf der Hand, wie sehr diese Einteilung der
Auffassung unterworfen ist, und in der Tat schwankt die Zuordnung
öfters sogar innerhalb eines Dialekts. Sehr aufschlußreich sind Wörter,
die mit einem geringeren Bedeutungsunterschied beiden Klassen ange-
hören. So heißt bayü in der x-Klasse „Salz im Brocken, Steinsalz“ dage-
gen als y „Salz in Pulverform“, gasil ist x „Stecken“, y „Brennholz“, u. a.
Fruchtbäume würden wir wohl eher als individuell-abgesonderte Wesen
empfinden, aber der Burushaski-Sprecher faßt sie offenbar als Kollek-