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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0028
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Hermann Berger

kel usw. kann ich nur in Bezug auf einen anderen Menschen sehen, nicht
absolut, und dem trägt der sprachliche Ausdruck Rechnung. Ergibt sich
im Bur. die seltenere Notwendigkeit, von einem Besitzer abzusehen, so
verwendet man entweder die Form der l.pl., wenn der Sprecher sich mit
einschließt, also „unser Kopf“ etwa im Sinne von „der menschliche
Kopf“ (ähnlich wie im Deutschen), oder die 3.pl. „ihr Kopf“, wenn er
sich nicht einschließt. Alle anderen Nomina dagegen müssen mit dem
unabhängigen Personalpronomen konstruiert werden, wie in jäa ha
„mein Haus“, wobei jäa der Genitiv von je „ich“ ist; es kann auch den
mit Präfix versehenen Substantiven vorgesetzt werden, wie in jäa a-yätis
„mein Kopf“, sozusagen „mein mein-Kopf“, neben bloßem a-yätis
„mein Kopf“ mit dem Präfix der l.sg. a-. In Indianersprachen mit dersel-
ben Unterscheidung steht an der Stelle der analytischen Konstruktion
eine verlängerte Form des Pronominalpräfixes, was auf gleichen Ur-
sprung deuten könnte. So unterscheidet das Dakota zwischen misiha
„mein Fuß“ und mita-öspe „meine Axt“, das Ojibwa zwischen nsat
„mein Fuß“ und ndu-pwagan „meine Tabakspfeife“ usw.11; im Meno-
mini wiederum besteht die Regel, daß gewöhnliche Substantive die Pro-
nominalpräfixe zu sich nehmen können, die für Körperteile und Ver-
wandtschaftsnamen dagegen müssen, man kann also sagen „Pferd“ und
„mein Pferd“, aber nur „meine Hand“ usw., nicht „Hand“ schlechthin.12
Auch die interessante gelegentliche Erweiterung von den Körperteilen
auf einige andere Nomina hat Parallelen in Indianersprachen. Im Buru-
shaski gehören z.B. „Schatten“, „Name“, „Grab“, „Spazierstock“,
„Kopfkissen“, „Aussteuer“ zu den Dingen, die als gleichsam untrenn-
bar vom Besitzer gesehen und daher wie Körperteile konstruiert wer-
den. Im übrigen ist die Unterscheidung heute äußerlich festgelegt, es
gibt bereits eine ganze Reihe von Körperteil- und Verwandtschaftsna-
men, die kein Pronominalpräfix mehr zu sich nehmen.
Auch die Erscheinung, daß dieselben oder ähnliche pronominale
Morpheme bei Substantiven den Besitz, beim Verbum das Subjekt oder
das Objekt bezeichnen, hat zahlreiche Parallelen wiederum in den In-
dianersprachen, findet sich aber auch in Europa im Ungarischen, wo
man z. B. häz-am „mein Haus“ und olvas-am „ich lese“ sagt. Freilich ist
in allen diesen Sprachen die Setzung beim Verbum eine durchgehende,
so daß sie zu der Frage, ob zwischen Fehlen und Zutritt sowohl beim
Substantiv als auch beim Verbum ein übergreifender gemeinsamer Ge-
11 Nach H.-J. Pinnow, Die nordamerikanische Indianersprachen (1964), p. 62.
12 L. Bloomfield, The Menomini Language (1962), p. 43.
 
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