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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0030
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Hermann Berger

Burushaski durch das Fehlen des Pron.präfixes den konventionellen Be-
sitz mit unfreiwillig-abhängigen Handlungen und durch ihren Zutritt
den natürlichen Besitz mit gewollten Handlungen formell gleichsetzt;
ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie sich dieselbe Vorstellung in
zwei typologisch völlig verschiedenen und räumlich weit auseinanderlie-
genden Sprachen unabhängig voneinander Bahn brechen und eine ad-
äquate Ausdrucksform verschaffen kann.
Eine weitere, den Charakter der Sprache in tiefgehender Weise be-
stimmende Eigentümlichkeit des Burushaski ist die Verwendung des Er-
gativ-Kasus beim Verbum. An und für sich stellt diese Konstruktion
keine große Besonderheit dar, da sie auch im Baskischen, in den Kauka-
sussprachen und in vielen indianischen und australischen Sprachen vor-
kommt. Sie bezeugt eine andere Auffassung vom Subjekt als die unsere:
das Objekt des Satzes mit transitivem Verbum wird mit dem Subjekt des
Satzes mit intransitivem Verbum gleichgesetzt, und der Bewirker der
transitiv gedachten Handlung steht in einem eigenen Kasus, eben dem
Ergativ. In einer sehr groben Annäherung kann man somit sagen, daß
man z.B. im Baskischen wie bei uns sagt „das Kind schläft“, aber statt
„das Kind ißt das Brot“ etwas wie „das Brot wird vom Kind gegessen“,
wobei es sich hier natürlich um etwas grundsätzlich anderes als unser
Passiv handelt. Das Prinzip ist einfach, aber die Praxis lehrt, wie schwer
sich ein in unserem syntaktischen Grundschema Aufgewachsener in
diese Denkform mit all ihren Konsequenzen einlebt. Von selbst käme
bei uns wohl niemand darauf, ein Verbpaar wie „hören“ und „sehen“
auseinanderzureißen und wie im Bur. das erste intransitiv, das zweite
transitiv zu konstruieren, aber die Logik ist zwingend: „sehen“ ist viel
mehr eine gezielte, durch Wenden des Kopfes und Öffnen und Schlie-
ßen der Augen zu regulierende Tätigkeit, während man beim Hören
eher in die Lage des Objekts kommt, man ist Gehörseindrücken - ge-
rade die Erfahrung des modernen Lebens lehrt dies täglich - mehr oder
minder wehrlos ausgeliefert. Dies führt auch sogleich wieder zu einem
Konflikt mit der Grammatik; natürlich hat „hören“ als Verbum der Sin-
neswahrnehmung genau so seine Wahrnehmungsobjekte wie „sehen“,
und so kommt es, daß d-yalas „hören“ im Bur. als einziges intransitives
Verbum ein nominales Objekt (Stimme, Musik usw.) zu sich nehmen
kann und manche Sprecher beim Subjektspronomen auch schon sinnge-
mäß den Ergativ verwenden, die Kongruenz von Personalpräfix und
Personaldeutung aber noch eindeutig auf die Zugehörigkeit zur Klasse
der Intransitiva hinweist.
Aber nicht solche Einzelheiten im Gebrauch sind es, die die Ergativ-
 
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