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Wolfgang Raible
einem eigentlichen Beispiel für die Sorrento’sche Para-Hypotaxe zu tun.
Fava verwendet sogar, dem rechtlichen Kontext entsprechend, einige
der (neuen) präpositionalen Fügungen (per caxone di, per grazia di, in
taie guisa etc.), die, wie wir wissen, besonders schriftsprachlich sind.
Auch gerundiale Junktion kommt bei ihm vor, allerdings nicht mit der
Thematisierung von Relationen (vegendo, clamando, conseglando,
sperando, dubitando, commendando, façendo etc.)21. - Wesentlich stär-
ker ist die Relatinisierung dann in der Renaissance, also in den italieni-
schen Texten des 15. und den französischen des 16. Jahrhunderts22.
In wesentlich stärkerem Ausmaß als in Guido Favas Text finden sich die
„integrativen Anleihen“ an den Akrolekt in manchen schriftlichen Tex-
ten der Kreolsprachen. Ein gewiß recht extremes Beispiel ist das Buch
eines Schweizer Wirtschaftswissenschaftlers, das ins Haiti-Kreol über-
setzt wurde. Der Übersetzer ahmt dabei in erstaunlicher Weise französi-
sche integrative Techniken nach. Insbesondere macht er einen exzessi-
ven Gebrauch von que bzw. ké als Integrationssignal:
- Aus: „Wir sollten gleichzeitig zeigen, daß relativ großzügige Entwicklungshilfe,
wie sie Haiti als zu der Gruppe der LCD [least developed countries] und der
MSAC [most seriously affected countries] gehörend empfängt...“
wird z. B.:
„Nou soti pou montré ankö, ké èd o dévlopman rélativmen abondan, tankou sa
Ayiti résévoua yo antanké manm group PMA . ..“, wobei nur tankou basilektal
ist.
Aus einem konzessiven „dabei“ wird poutan, aus „ebenso wie“ otanké,
die Wendung „wir gehen dabei von der Idee aus, daß ...“ beschert dem
21 Vgl. zu Guido Fava und seiner Stellung in der Tradition der Artes dictaminis Peter Koch
(1987).
22 Vgl. dazu für das französische 16. Jahrhundert Alexandre Lorian (1973) und Peter
Steins Arbeit zu den romanischen Livius-Übersetzungen seit dem 14. Jahrhundert
(Stein 1990). - Lorians Untersuchung betrifft den Stil einer Auswahl französischer Au-
toren des 16. Jahrhunderts. Er konstatiert zwei gegensätzliche Tendenzen, die aus der
hier vertretenen Sicht verschiedene, benachbarte, Positionen innerhalb der Junktions-
techniken des Französischen darstellen. Bei Lorians imbrication analytique, bei der die
Relationen vorzugsweise explizit gemacht werden, handelt es sich nämlich um die tradi-
tionelle Ko- und Subordination mit Hilfe von Konjunktionen, also um „aggregativere“
Techniken der Dimension ,Junktion* ; die imbrication synthétique mit ihren vorwiegend
nicht expliziten Relationen entspricht dagegen den Partizipial-, Gerundial- und Infini-
tivkonstruktionen. Generell geht es jedoch um eine Tendenz zu integrativem Stil, der in
der Renaissance deutlich von lateinischen Vorbildern geprägt ist.
Wolfgang Raible
einem eigentlichen Beispiel für die Sorrento’sche Para-Hypotaxe zu tun.
Fava verwendet sogar, dem rechtlichen Kontext entsprechend, einige
der (neuen) präpositionalen Fügungen (per caxone di, per grazia di, in
taie guisa etc.), die, wie wir wissen, besonders schriftsprachlich sind.
Auch gerundiale Junktion kommt bei ihm vor, allerdings nicht mit der
Thematisierung von Relationen (vegendo, clamando, conseglando,
sperando, dubitando, commendando, façendo etc.)21. - Wesentlich stär-
ker ist die Relatinisierung dann in der Renaissance, also in den italieni-
schen Texten des 15. und den französischen des 16. Jahrhunderts22.
In wesentlich stärkerem Ausmaß als in Guido Favas Text finden sich die
„integrativen Anleihen“ an den Akrolekt in manchen schriftlichen Tex-
ten der Kreolsprachen. Ein gewiß recht extremes Beispiel ist das Buch
eines Schweizer Wirtschaftswissenschaftlers, das ins Haiti-Kreol über-
setzt wurde. Der Übersetzer ahmt dabei in erstaunlicher Weise französi-
sche integrative Techniken nach. Insbesondere macht er einen exzessi-
ven Gebrauch von que bzw. ké als Integrationssignal:
- Aus: „Wir sollten gleichzeitig zeigen, daß relativ großzügige Entwicklungshilfe,
wie sie Haiti als zu der Gruppe der LCD [least developed countries] und der
MSAC [most seriously affected countries] gehörend empfängt...“
wird z. B.:
„Nou soti pou montré ankö, ké èd o dévlopman rélativmen abondan, tankou sa
Ayiti résévoua yo antanké manm group PMA . ..“, wobei nur tankou basilektal
ist.
Aus einem konzessiven „dabei“ wird poutan, aus „ebenso wie“ otanké,
die Wendung „wir gehen dabei von der Idee aus, daß ...“ beschert dem
21 Vgl. zu Guido Fava und seiner Stellung in der Tradition der Artes dictaminis Peter Koch
(1987).
22 Vgl. dazu für das französische 16. Jahrhundert Alexandre Lorian (1973) und Peter
Steins Arbeit zu den romanischen Livius-Übersetzungen seit dem 14. Jahrhundert
(Stein 1990). - Lorians Untersuchung betrifft den Stil einer Auswahl französischer Au-
toren des 16. Jahrhunderts. Er konstatiert zwei gegensätzliche Tendenzen, die aus der
hier vertretenen Sicht verschiedene, benachbarte, Positionen innerhalb der Junktions-
techniken des Französischen darstellen. Bei Lorians imbrication analytique, bei der die
Relationen vorzugsweise explizit gemacht werden, handelt es sich nämlich um die tradi-
tionelle Ko- und Subordination mit Hilfe von Konjunktionen, also um „aggregativere“
Techniken der Dimension ,Junktion* ; die imbrication synthétique mit ihren vorwiegend
nicht expliziten Relationen entspricht dagegen den Partizipial-, Gerundial- und Infini-
tivkonstruktionen. Generell geht es jedoch um eine Tendenz zu integrativem Stil, der in
der Renaissance deutlich von lateinischen Vorbildern geprägt ist.