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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0007
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Für Erik Hornung zum 60. Geburtstag

1. Politischer und kosmologischer Monotheismus
In der Perspektive der Religionsgeschichte erscheint mit einer
gewissen Unausweichlichkeit der Monotheismus als die höchste
Form von Religion. Der Monotheismus ist der Maßstab, an dem
jede andere Religion gemessen wird. Für die Vertreter der bis ins
späte 18. Jahrhundert vorherrschenden Dekadenztheorie stand fest,
daß der Monotheismus am Anfang der Religionsgeschichte gestan-
den habe und der Polytheismus eine Verfallserscheinung der
ursprünglichen Wahrheit darstelle. Diese von den französischen
Deisten des 17. Jh. entwickelte Theorie des Urmonotheismus legte
Schelling seiner Philosophie der Mythologie zugrunde und der Eth-
nologe Pater Wilhelm Schmidt seinem monumentalen Werk über
den Ursprung der Gottesidee. Für die Vertreter der Evolutionstheorie
dagegen bildet der Monotheismus das Spät- und Reifestadium der
religionsgeschichtlichen Entwicklung. Gegenüber diesen beiden
wissenschaftlichen Theorien vertreten die monotheistischen Reli-
gionen selbst in der Innenansicht ihrer Selbstbeschreibung einen
dritten Standpunkt: der Monotheismus steht weder am Anfang,
noch am Ende irgendeiner Entwicklung, er wurde der Menschheit
vielmehr von Gott selbst - und das heißt: von außen - geoffenbart.
In den historischen Wissenschaften hat sich seit dem 19. Jahr-
hundert der Evolutionismus durchgesetzt. Im Banne dieser Optik
drängte sich dem Historiker von Anfang an die Frage nach Entwick-
lungslinien, Vorstufen und Parallelen auf. So wurden die orientali-
schen Religionen auf ihren Platz in dieser Werthierarchie und Auf-
wärtsentwicklung hin befragt und - wie kann es anders sein - von
den Vertretern der entsprechenden Disziplinen möglichst hoch,
möglichst nah dem absoluten Zenith des hebräischen Monotheis-
mus eingestuft. Für Mesopotamien wäre hier z. B. auf A. Jeremias
und B. Baentsch1, für Ägypten neben vielen anderen auf E. de Rou-

1 B. Baentsch, Altorientalischer und Israelitischer Monotheismus, Tübingen 1906;
A. Jeremias, Monotheistische Strömungen innerhalb der babylonischen Religion,
 
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