6
Jan Assmann
ge2 und H. Brugsch3 zu verweisen. Dabei konnte es nicht ausblei-
ben, daß das Pendel in der Gegenrichtung ausschlug und in neueren
Beiträgen die Rede von einem mesopotamischen oder ägyptischen
Monotheismus mit ebenso scharfen wie schlagenden Argumenten
abgewehrt wurde.
Heute wird die altägyptische Religion als Polytheismus einge-
stuft, mit vollem Recht natürlich, wenn man an die Fülle der Götter-
gestalten denkt, die uns hier entgegentritt. Zu fragen ist allerdings,
was mit einer solchen Bezeichnung eigentlich gesagt ist. Sie erhält
ihren Sinn nur in der Gegenüberstellung mit dem Monotheismus,
dem Typus einer Religion also, die nur einem einzigen Gott gilt und
die daher programmatisch auf der Einheit und Einzigkeit Gottes
besteht.4 Zwar ist „Monotheismus“ kein antiker Begriff, sondern
wird erst im 17. Jh. geprägt5, aber er kann doch zumindest von da an
als Selbstdefinition der unter diesem Begriff zusammengefaßten
Religionen gelten. Kein Polytheismus definiert sich jedoch über
Ablehnung von Einheit und Affirmation von Vielheit. So etwas gibt
es nur im metaphorischen Gebrauch des Begriffs, z. B. bei Max
Weber6 und Odo Marquard7: als Affirmation einer unhintergeh-
Leipzig 1904. Wir befinden uns hier im Kontext der „religionswissenschaftli-
chen Schule“, und hier in der unter dem Stichwort „Babel und Bibel“ geführten
Diskussion, vgl. dazu J. Ebach, „Babel und Bibel oder: das .Heidnische1 im
Alten Testament“, in: R. Faber, R. Schlesier (Hrsg.), Die Restauration der Götter,
Antike Religion und Neopaganismus, Würzburg 1986, 26-44.
2 E. de Rouge, in: Revue archeologiqueN.S.l 1,1860,72f. nach Erik Hornung, Der
Eine und die vielen. Altägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 1971, 4.
3 Religion und Mythologie der alten Ägypter, Leipzig 1891, 3f. und passim. In der
Ägyptologie ist der wissenschaftliche Kontext der Monotheismus-Debatte ein
ganz anderer als in der Assyriologie. Er orientiert sich nicht am biblischen
Monotheismus, sondern am „philosophischen Monotheismus“ der antiken
Autoren. Diese Diskussion hat mit dem Babel-Bibel-Streit nichts zu tun, sie
reicht viel weiter zurück, bis in die Anfänge der Ägyptologie, und, wie in diesem
Aufsatz gezeigt werden soll, darüber hinaus ins 18. Jahrhundert.
4 Vgl. hierzu G. Ahn, „‘Monotheismus’ - ‘Polytheismus’. Grenzen und Möglich-
keiten einer Klassifikation von Gottesvorstellungen“, in: Μ. Dietrich, O. Loretz
(Hrsg.), Mesopotamica - Ugaritica - Biblica. Festschrift für Kurt Bergerhof Keve-
laer-Neukirchen 1993, 1-24, spez. 5-12.
5 R.Hülsewiesche, „Monotheismus“, in: K. Gründer, J. Ritter (Hrsg.), Historisches
Wörterbuch der Philosophie 6 (1984), 142-146; W. Schmidt, „Naissance des poly-
theismes (1624-1757)“, in: Archives des Sciences Sociales des Religions 59,1985,
77-90.
6 Zu Webers Begriff des „Polytheismus der Werte“ vgl. W. Schluchter, Religion und
Jan Assmann
ge2 und H. Brugsch3 zu verweisen. Dabei konnte es nicht ausblei-
ben, daß das Pendel in der Gegenrichtung ausschlug und in neueren
Beiträgen die Rede von einem mesopotamischen oder ägyptischen
Monotheismus mit ebenso scharfen wie schlagenden Argumenten
abgewehrt wurde.
Heute wird die altägyptische Religion als Polytheismus einge-
stuft, mit vollem Recht natürlich, wenn man an die Fülle der Götter-
gestalten denkt, die uns hier entgegentritt. Zu fragen ist allerdings,
was mit einer solchen Bezeichnung eigentlich gesagt ist. Sie erhält
ihren Sinn nur in der Gegenüberstellung mit dem Monotheismus,
dem Typus einer Religion also, die nur einem einzigen Gott gilt und
die daher programmatisch auf der Einheit und Einzigkeit Gottes
besteht.4 Zwar ist „Monotheismus“ kein antiker Begriff, sondern
wird erst im 17. Jh. geprägt5, aber er kann doch zumindest von da an
als Selbstdefinition der unter diesem Begriff zusammengefaßten
Religionen gelten. Kein Polytheismus definiert sich jedoch über
Ablehnung von Einheit und Affirmation von Vielheit. So etwas gibt
es nur im metaphorischen Gebrauch des Begriffs, z. B. bei Max
Weber6 und Odo Marquard7: als Affirmation einer unhintergeh-
Leipzig 1904. Wir befinden uns hier im Kontext der „religionswissenschaftli-
chen Schule“, und hier in der unter dem Stichwort „Babel und Bibel“ geführten
Diskussion, vgl. dazu J. Ebach, „Babel und Bibel oder: das .Heidnische1 im
Alten Testament“, in: R. Faber, R. Schlesier (Hrsg.), Die Restauration der Götter,
Antike Religion und Neopaganismus, Würzburg 1986, 26-44.
2 E. de Rouge, in: Revue archeologiqueN.S.l 1,1860,72f. nach Erik Hornung, Der
Eine und die vielen. Altägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 1971, 4.
3 Religion und Mythologie der alten Ägypter, Leipzig 1891, 3f. und passim. In der
Ägyptologie ist der wissenschaftliche Kontext der Monotheismus-Debatte ein
ganz anderer als in der Assyriologie. Er orientiert sich nicht am biblischen
Monotheismus, sondern am „philosophischen Monotheismus“ der antiken
Autoren. Diese Diskussion hat mit dem Babel-Bibel-Streit nichts zu tun, sie
reicht viel weiter zurück, bis in die Anfänge der Ägyptologie, und, wie in diesem
Aufsatz gezeigt werden soll, darüber hinaus ins 18. Jahrhundert.
4 Vgl. hierzu G. Ahn, „‘Monotheismus’ - ‘Polytheismus’. Grenzen und Möglich-
keiten einer Klassifikation von Gottesvorstellungen“, in: Μ. Dietrich, O. Loretz
(Hrsg.), Mesopotamica - Ugaritica - Biblica. Festschrift für Kurt Bergerhof Keve-
laer-Neukirchen 1993, 1-24, spez. 5-12.
5 R.Hülsewiesche, „Monotheismus“, in: K. Gründer, J. Ritter (Hrsg.), Historisches
Wörterbuch der Philosophie 6 (1984), 142-146; W. Schmidt, „Naissance des poly-
theismes (1624-1757)“, in: Archives des Sciences Sociales des Religions 59,1985,
77-90.
6 Zu Webers Begriff des „Polytheismus der Werte“ vgl. W. Schluchter, Religion und