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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0015
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Monotheismus

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konnte den Unterschied vermutlich gar nicht sehen. In dieser Got-
tesrede werden sozusagen von höchster Stelle der politische und
der kosmologische Monotheismus in eins gesetzt. „Die Luft ist
mein Körper, Himmel und Ozean sind mein Gewand“: so spricht
der kosmische Gott, „le dieu cosmique“, wie Andre-Jean Festugiere
ihn treffend genannt hat.24 Er sagt nicht „Ich bin, der ich bin“, son-
dern: ich bin das All. „Ich bin, der ich bin“ sagt demgegenüber ein
ganz anderer Gott, ein Gott, der auf nichts außerhalb seiner ver-
weist, sondern allen kosmischen Identifikationen den Boden ent-
zieht. Dieser Satz ist die Verweigerung, die Negation solcher kosmi-
schen Immanenz.25 Erst wenn man diesen kategorialen Unterschied
verwischt, kann man Moses und Ägypten bzw. Moses und Grie-
chenland in einen evolutionären Zusammenhang bringen.26 Und
genau darauf kam es offenbar an. Den einen kam es auf den Nach-
weis an, daß Moses bereits alles im Klartext gesagt hat, was die grie-
chischen Philosophen dann in mehr oder weniger verschlüsselter
Form gelehrt haben. Den anderen ging es um den Nachweis, daß
Moses in allgemeingültige und verständliche Form gebracht hat,
was in Ägypten als urtümliches Wissen von den Priestern gehütet
worden war.27
Dieses zweite Motiv ist es, das mich im besonderen interessiert
und dem ich in der folgenden Studie nachgehen möchte. Wir fassen
hier ein wichtiges, ja vielleicht das wichtigste Stück einer Rezep-
tionsgeschichte des Alten Ägypten, die über den Untergang dieser
Kultur und das völlige Unlesbarwerden ihrer Schriftquellen hinaus
ein Wissen von und Interesse an dieser Kultur wachgehalten hat.

Inhalts, Bd. 2, Gebete (Abh. der rhein.-westf. Akad. d. Wiss., Sonderreihe Papy-
rologica Coloniensia, Opladen 1991, 131.
24 A.-J. Festugiere, La revelation d’Hermes Trismegiste II: Le dieu cosmique, Paris
1949.
25 Zu Ex 3,14 vgl. u. a. O. Grether, Name und Wort Gottes im A. T, Gießen 1934,
3ff.; W.v. Soden, Bibel und Alter Orient, Berlin 1985,78-88; G. Führer, Geschichte
der israelitischen Religion, Berlin 1969,63 ff.; J. C. de Moor, The Rise of Yahwism,
Leuven 1990, 175 ; 237ff.
26 Vgl. hierzu A.J. Droge, Homer orMoses?Early Christian Interpretations of theHi-
story of Culture, Tübingen 1989.
27 Der hellenistisch-jüdische Schriftsteller Artapanus ght so weit, den Spieß
umzudrehen und Moses zum Erfinder der ägyptischen Hieroglyphenschrift zu
machen. Die Ägypter hätten ihn „Hermes“ genannt wegen seiner Auslegung
(hermeneia) der heiligen Schriften. Für Artapanus ist Moses kein anderer als
Musaios, den er zum Lehrer des Orpheus macht. Vgl. dazu Droge, a.a.O., 25-35.
 
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